Any day could be the last nice day for a long time.

Category: Irgendwas mit Startnummern

Until then, just let me chase this sun

Meine Geburtstagswünsche 2022: Gesundheit, Weltfrieden, MTBO. Immerhin eins davon ist leicht erfüllbar, wir fahren also in die Dübener Heide zum Camping bei Minusgraden mit anschließendem Orientierungsfahren. Juhu!

Ich bin noch nie in voller Wintermontur bei einem Wettkampf gestartet, aber irgendwann ist ja immer das erste Mal. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zum Start denk ich natürlich auch nicht an Sonnencreme, das war dumm, die Sonne kommt nämlich pünktlich raus und bleibt das ganze vierstündige Rennen (Score/2er Team) über bei uns, und damit waren sogar die Temperaturen ganz gut auszuhalten.

Überhaupt übertrifft das alles meine Erwartungen: ich hab zum Wettkampf ein Fahrrad mitsamt ner frisch gewarteten Gabel, die Karte (1:50000, vergrößert auf 1:38000) stimmt größtenteils gut und die eingezeichneten Posten lassen sich sowohl nach Position als auch Beschreibung sehr gut finden, ich kann immer noch Karte lesen und sogar meine Beine sind halbwegs arbeitswillig. Die ersten zwei Stunden laufen zumindest gut; die Stimmung kippt nichtmal, als wir beide die Karte missdeuten, der Weg einfach endet und vor uns ein Stacheldraht und links irgendwelches Dornenzeug und ein Bach ist – tja hm, Stacheldraht geht halt gar nicht, da müssen wir wohl durch den Bach steigen, hurra.

Wir sind außerdem in einem hervorragenden Naherholungsgebiet unterwegs, zur Halbzeit wird’s hübsch, am seltsam verlassenen FKK-Strand vom Bergwitzsee gibt’s Brötchenpause (Justus ist doppelt so schnell wie ich wieder abfahrbereit, aber Leistungssport mit vollem Mund hab ich ja bei diversen Weihnachtsstaffeln schon geübt), aber dann kommen leider ein paar zerrige Asphaltpassagen, auf denen sich meine Beine schon verdächtig leer anfühlen. Aber Wald funktioniert immer noch, auch wenn sich hier ein paar Minianstiege verstecken, die ich in meinem aktuellen Zustand bereits als “Berge” zu bezeichnen geneigt bin. Planvolles Überziehen haut auch perfekt hin, wir holen sogar noch das Herrenteam vor uns ein und tatsächlich geht noch sowas wie Zielsprint mit breitem Grinsen im Gesicht, eh ich geschafft vom Rad kippe, wie sich’s gehört, das war wunderbar.

I can almost see them

Nochmal OL, diesmal fast daheim. Das Gute ist: mein letzter Jogg war ein Trainings-OL, auf genau dieser Karte. Nicht so gut: das war vor zwei Monaten. Da muss ich wohl mangelnde Fitness durch überragende geistige Leistungen ausgleichen, ich bin gespannt.

Schon die Anfahrt zum Bergstart ist enorm anstrengend, ich bin enorm müde, es ist überraschend sonnig, aber immerhin im Wald dann ja schattig und kühl. Übrigens machen wir heute Postennetz-OL – ich hab noch nie Postennetz-OL gemacht, habe keine Ahnung, wie man da vorgeht, halte mich dann an meine MTBO-Erfahrung und steh also mit Stift am Start, um erstmal ein paar Sekunden rumzustehen und ne Verbindungslinie zu malen. Zehn Sekunden mehr, um zuvor nochmal scharf über die Höhenlinien nachzudenken, wären gut investiert gewesen.

Egal, die erste Hälfte läuft halbwegs, kleine Unsicherheiten stören mich nicht weiter und kosten auch wenig Zeit, aber ab der Hälfte wird meine Strecke zunehmend gemüsig und ich immer langsamer da mittendurch. Ich stolpere ins Tal, wieder hoch, durch diverse Gräben und ins nächste Seitental und das hätte man doch vermutlich alles irgendwie schlauer und mit weniger Höhenmetern planen können. Zudem gibt’s nun keinen Weg mehr, dafür aber einen Wildwechsel auf halber Höhe, den ich also nutze und dabei in jeden Graben gucke, keinen Posten sehe, dafür aber irgendwann die Startwiese und da ich somit deutlich zu weit bin und ganz klar keine Orientierung mehr habe, fällt mir nix besseres ein, als auf die Wiese raus und von oben vom Weg aus in die gesuchte Rinne reinzulaufen, was immerhin funktioniert, aber meine Laune ist dann schon nicht mehr so super.

Schnaufend zurück ins Tal, übern Bach, wieder hoch zum nächsten Posten, und weil der letzte Posten querfeldein deutlich kürzer ist als auf dem sanft bergab führenden Weg, lauf ich also querfeldein, wurschtele mich durch eine Brombeerschneise und rutsche danach viel zu steil und nicht eben kontrolliert bergab, nur um schließlich festzustellen, dass man den Wurzelstock mit dem Posten vom Weg aus einwandfrei gesehen und easy erreicht hätte. Ab ins Ziel, komplett im Arsch, und als ich dann ein letztes Mal den Bach überquere, um zurück zum Start zu spazieren, flute ich mir schließlich aus Dummheit doch noch den Schuh, prima. Aber im Ziel isses schön, ich hab alle Posten und freu mich nun doch und außerdem gibt’s Zielverpflegung, yay, doch gerne wieder.

Uncertainty excites me baby

Wir fahren ein Gravelbrevet. Weil Pfote uns alle dazu angestiftet hat. Was Gravel ist, weiß ich nicht so richtig, und es erschließt sich mir auch nicht: wenn ich Spaß im Dreck haben will, dann nehm ich das Mountainbike und kann damit alles fahren (oder zumindest dynamisch tragen); wenn ich aber lang und weit fahren will, such ich mir doch halt weniger wurschtige Wege und nehm das Rennrad.

Gravel, das ist die Sportart für Menschen, die Freude daran haben, hundert Kilometer grasige Feldränder zu fahren, weil das so hevorragende “Verbindungsstrecken” sind. Ich bin eher nicht die Zielgruppe, aber es scheint ok zu sein, auf beliebigen Rädern teilzunehmen, und Pfote hat mich ja für meine wertvollen Softskills eingeladen: ich bin extrem gut darin, andere Menschen zu ignorieren, weshalb ich konstant mein eigenes Tempo trete und Pfote davon abhalte, eifrig mit irgendwem davonzuziehen und nach zwanzig Kilometern vor Erschöpfung vom Rad zu fallen, und außerdem bin ich der Antisocializer und unterbinde jeglichen Versuch von Pfote, mit irgendwem rumzustehen und profunde Gespräche über Sattelhersteller und Lenkerbreiten zu führen.

Radfahren ging also gut, die Strecke befand sich aber halt in der Leipziger Tieflandsbucht und bot weder viel Abwechslung noch Höhenmeter (“Ab jetzt wird’s wieder flacher.” – “Als ob das jemals nicht flach gewesen wär!”), insofern war’s eher eine mentale Herausforderung. Zusätzlich auch dadurch, dass wir nie zuvor gemeinsam mit Pfote Rad gefahren waren: Pfote fährt ja gern mit Menschen Rad, um mal zu reden, ich hingegen fahr gern ohne Menschen Rad, weil ich beim Radfahren am liebsten zehn Stunden gar nicht reden möchte, aber nachdem das dann geklärt war, fuhr ich einfach in 50m Abstand hinterher und hatte himmlische Ruhe.

Versorgung war auch prima, Extrapunkte für den “Kartoffelkäfer” aus Pegau, den ich hiermit offiziell zum besten Gebäck der Welt erkläre, und auch das Wetter hielt beinahe durch, nur ein Schauer 20km vor Schluss sorgte nochmal für Panade auf Arsch und Beinen, damit waren wir schneller als erwartet zu Sonnenuntergang zurück in Leipzig bei den ganzen anderen Gravelfahrern mit ironischen Schnauzbärten und unironischen Fahrradkäppis und konnten uns im Ziel an den veganen Schnittchen erfreuen, die ich aufgrund meines Hungers auch für überragend hielt. Reicht.