Ich fühl mich Brandenbuuurg

(I’m switching to German Only for a try. Please protest if you don’t like that.)

Willkommen in Ohrwurmland, übrigens ist seit diesem Jahr der 20. September Feiertag in Thüringen, wir haben also ein langes Wochenende übrig und da könnte man doch MTBO fahren bei Fürstenwalde, ne? Spontane Meldung eine knappe Woche zuvor, Zugverbindungen über Berlin sind leider alle eher mäßig doll, aber das Wetter wird ja prima und es ist Urlaub, also fahren wir doch nur bis/ab Luckenwalde und haben noch bisschen Radtour.

Freitag also Anfahrt, Zug spuckt uns pünktlich aus, dann brauchen wir aber erstmal Kaffee/Cola, um unterm bedeckten Himmel Motivation zu finden. Wir fahren mal wieder nach Autorouting, heute eine Wanderroute von Graphhopper, das funktioniert erstaunlich gut. Wir sind ja auch grad erst angekommen, ich freu mich an der Ostseelandschaft voller Sand und Kiefern, die Wege sind größtenteils erfreulich sicht- und fahrbar, die Sonne kommt dann auch bald raus und wir machen gut Strecke durch Brandenburgs Weite; wenn man hier irgendwas reichlich hat, dann isses Platz, da baut man halt mal ne Brandprüfstelle und vermutlich eine Anlage für Testsprengungen mitten innen Wald, da kommt eh keiner vorbei. Und ne große Baustelle, wo wir dann wirklich bisschen über die Dünen wandern können. Brandenbuuurg!

Ich fühl mich arg an die Rallye in Drawsko erinnert, wir kriegen das ganze Programm von verwachsenen Wegen durch die Heide inklusive besoffenem Pilzsammler zwischendrin, die obligatorischen Bastelarbeiten werden heute ausgelöst von einem 2cm langen rostigen Nagel, der die Luft meines Hinterrads drastisch reduziert. Aber wir kommen trotzdem noch bei Tageslicht in Kolpin an und dürfen unser Zelt auf die Campingwiese bauen, noch ein Bierchen, dann gesunder Vorwettkampfschlaf.

Am Samstag sind wir zeitig wach und aufbruchsbereit, gurken durch den Wald (übern Berg! 70Hm! Brandenburger Gebirgslandschaften!) nach Bad Saarow, gönnen uns dort noch einen Aufwachkaffee und sind dann pünktlich am Start in Alt Golm. Der Papierkram ist heute maximal unhandlich, A4-Wertungskarte (zu beschriften – heute sind Buchstaben statt Lochzangen oder SI-Stationen im Wald versteckt) und A4-Postenbeschreibungen, beidseitig bedruckt. Auch die Karte ist riesig, stabiles A1-Papier, inklusive Deckblatt und Legende. Braucht man nicht, aber so können wir anschließend direkt nachlesen, dass die Karte zwölf Jahre alt ist, was wir auch direkt nach Verlassen des Dorfs schon merken, da passen schon die ersten Dinge grob überhaupt nicht.

Justus orientiert trotzdem beeindruckend genau, es hilft bloß nix, denn am zweiten Posten finden wir drei weitere Teams vor, wir schwärmen alle zusammen ne ganze Weile in den Wald aus, aber vom Posten gibt’s keine Spur. Er hing dann wohl auch an ner ganz anderen Ecke des Waldes, da war’s wohl die richtige Entscheidung, nach ein paar Minuten Herumirren einfach weiterzufahren. Justus knurrt den Wald an, wir rollen weiter Richtung Streitberg, finden den Ort, wo der nächste Posten sein sollte, aber den Posten gibt’s abermals überhaupt nicht. Wieder einige Zeit mit rumgucken verdödelt, nichts als Brennnesseln gefunden und schließlich aufgegeben, inzwischen knurrt Justus ziemlich laut den Wald an. Mir obliegt es also, noch sowas wie Motivation zu versprühen, aber es fällt mir ehrlich schwer – wenn man durchn Wald gurkt und Posten findet, ist das ja alles Selbstzweck, aber wenn man eben keine Posten findet, könnte man auch irgendwo durchn Wald gurken, wo’s weniger Brennnesseln und im Weg rumstehende Kraftfahrstraßen und Autobahnen gibt.

Wo Straße, Autobahn und Spree gequert werden können, geht aus der Karte auch nur unzureichend hervor, wir beschließen also, nicht weiter zu pokern und die Strecke auf diesseits von Fluss und Autobahn umzuplanen. Immerhin finden wir anschließend auch wieder Dinge an den Posten, geht doch. Und Justus orientiert tadellos, ich hingegen keuche nur hinterdrein und möchte eigentlich weinen über diese unmögliche Karte. Die enthält eine weitere Überraschung westlich von Fürstenwalde: der als gut befestigt eingezeichnete Weg ist geradeso sichtbar und wird dann immer unsichtbarer, bis wir die Räder durch Schutthalden und über Wildwuchs bis zur nächsten Straße tragen. MTBO mon amour!

Im Wald ist sowieso alles Raten für Fortgeschrittene, es fehlt immer mal n Weg oder es gibt ein paar zuviel, Justus rechnet zwar, dass wir die Posten in den Rauener Bergen von der Distanz her noch alle holen könnten und dann noch bisschen Langeweile übrig haben, aber ich vermute richtig, dass wir hier nochmal ne Menge Zeit in Suchaktionen lassen. Trotzdem glaubt Justus, es sei eine clevere Idee, zum nächsten Posten einfach “an der Engstelle zwischen den beiden Wegen” 100m durch den Wald zu tragen, statt den halben Kilometer Umweg rundrum zu fahren, aber das erfordert erstens, dass man weiß, wo sich jene Engstelle genau befindet, und zweitens, dass auch der zweite Weg, auf den zu stoßen man hofft, wirklich existiert.

Ok, es existierte irgendein Weg da in der Nähe, aber mit der Karte hatte der nix zu tun, keine Ahnung, wie Justus am Ende trotzdem den Posten finden konnte. Es wird auch nicht besser – wir rollen raus auf eine große, markante Kreuzung, die so nirgends auf der Karte drauf ist, vor uns zieht grade eine laute Sechsergruppe überzeugt in eine Richtung ab, für uns ergibt das alles keinen Sinn, aber nach Besichtigung des Kompasses entscheiden wir uns für den gleichen Abzweig – der aber auch mit nichts übereinstimmt, das wir in der Karte identifizieren können, wir rollen in eine Phantasierichtung bergab und ich wär jetzt an dem Punkt, dass ich einfach nur noch vor der Zielzeit Alt Golm wiederfinden möchte, aber Justus findet den nächsten Posten. Das muss irgendeine geheime Superkraft sein.

Leider finden wir auch die Sechsergruppe bald wieder, denn die müssen jede Richtungsentscheidung erst in der Gruppe ausdiskutieren, und ich hab noch genug Restenergie, von dem Haufen genervt zu sein, also nicke ich leichtfertig, als Justus vorschlägt, heimwärts nochmal schnell übern Hügel zu fahren. Tja, man hätte den simplen Straßenposten haben und drei Minuten vor Schluss entspannt einrollen können, aber für zehn Punkte mehr keulen wir doch gern nochmal aufn Sandhügel, der an der vermuteten Stelle absolut keinen Posten enthält. Justus knurrt den Wald an, dann holpern wir irgendwie quer übers Feld runter nach Neu Golm und meine Beine sind nicht mehr so richtig zielsprintfähig, aber zum Glück gibt’s hier zart bemessene Strafzeiten, da hätten wir noch viel länger im Wald rumdödeln können. Am Ende wird anerkannt, dass “mindestens drei Posten” einfach mal grob falsch gehangen haben, na jedenfalls haben wir’s aufs Treppchen geschafft, jippie.

Am nächsten Morgen schlafen wir aus, die Sitzfläche fühlt sich erstmal wieder ok an, aber die Beine sind doch so bisschen verbraucht, und inzwischen haben wir vermutlich auch alles gesehen, was der Brandenburger Kiefernwald kann, meine Begeisterung ist eingeschränkt und schon die ersten zehn Kilometer durchn Sand sind unsinnig anstrengend (heute nach MTB-Autorouting, bei dem immer mal nichtexistente Wege dabei sind, quasi wie gestern). In Storkow kriegt man übrigens aufn Sonntag keinen Kaffee, am Groß Schauener See aber immerhin Radler und Fischbrötchen, der Wald bleibt arg sandig und eintönig, das Sitzfleisch verbraucht sich und ich will eigentlich hauptsächlich heim jetzt, reicht. Tatsächlich haben wir Beschäftigung bis zur Abfahrt des Zuges kurz nach fünf, und der Zug ist dann auch bis Leipzig voller Polizei, Fußballfreunde und Ballermannschlager. Immerhin die letzte Stunde wird ruhig, ich komm grad noch den Hügel zur Wohnung rauf, fertsch.