Aaaber ich kann länger als Sie!
First time in 2019 that we did some kind of race, namely the 200kms for Sachsenbrevet in Bennewitz. Read more in German if you like!
Man sollte meinen, mit dem Alter kommt die Weisheit. Also zum Beispiel die Einsicht, dass es nur mäßig schlau ist, in den R-Monaten schon epische Radabenteuer zu starten, denn schließlich kann’s da auch durchaus noch stürmen und schneien. Leider konnten wir auch diesmal nichts aus Fehlern lernen, es wird also nur noch schlimmer.
Keine Ahnung, wie Justus überhaupt darauf kam, Ende März am Sachsenbrevet über 200km teilnehmen zu wollen. Dass wir beide grundsätzlich in der Lage sind, auf dem Rad 200km zurückzulegen, wurde bereits zu früheren Gelegenheiten erwiesen, dass wir aber gerade jetzt dazu in der Lage sein werden, nach einem eher faulpelzigen Winter und mit eher wenigen Jahreskilometern in den Beinen, das darf doch immerhin bezweifelt werden. Immerhin enthält aber die Strecke, die wir eine Woche vor Start erhalten, eine Menge an Höhenmetern, die dem hartgesottenen Mittelgebirgsbewohner nur ein mitleidiges Lächeln entlockt, da bin ich dann doch mal vorsichtig optimistisch, und da auch der Wetterbericht optimale Bedingungen verspricht, freu ich mich vor wie auf Weihnachten.
Um das Tageslicht optimal zu nutzen, müssen wir natürlich um kurz nach fünf den Zug besteigen, am Start in Bennewitz scheint aber schon doll die Sonne, und dass hier ein Starterfeld versammelt ist, das dem des Triathlons so unähnlich wie nur irgend möglich ist (körperlich das ganze Spektrum von Bergfloh bis Bulldozer, herrlichste Stahlrenner überall, dazu hört man beachtlich häufig irgendwas von “Eiorschegge”), macht die Veranstaltung gleich sympathisch. Dazu haben wir den besten aller “Rennstarts” – der Organisator fährt gemeinsam mit uns in der letzten der vier Startgruppen: “Wann wolltmer denn los?” – “Na eigentlich genau jetz.” – “Na da fahrmer halt ma los.” Die Gruppe setzt sich äußerst gemütlich in Bewegung, wir rollen im Rudel durch Wurzen und bis zum ersten Hügelchen, über das ich mich kurz lustig mache, das dann aber trotzdem genügt, um das Feld zu spalten – und wir sind mehr so hinten. Naja, wir wollen ja heut auch noch wohin, und immerhin zu zweit können wir uns ja noch Windschatten geben, was in der Praxis bedeutet, dass ich die meiste Zeit hinter Justus hänge. Tja ne.
Vor Prettin dürfen wir erstmals Elbfähre fahren, treffen am Anleger ein paar enteilte Radfahrer wieder und holen uns in einer Prettiner Apotheke den ersten Kontrollstempel. Es widerstrebt mir ein bisschen, fremden Leuten zu erklären, dass ich beabsichtige, heute 200km zu fahren, wenn doch noch ganz und gar unklar ist, ob ich vielleicht nach 140 schon hinschmeiße. Weiter geht’s nach Bergern, nochmal Elbfähre, danach Paris-Roubaix-Gedächtnispflaster, ich fühle mich übertrieben gut, wenn hinter mir irgendwelche Leute fluchen, ihr Carbonrenner sei für sowas nicht gebaut. Ich fühl mich mit meinen 23mm-Puschen pudelwohl auf dem Scheiß! Wir spielen bisschen Hase und Igel mit einem Pärchen, immerhin navigieren krieg ich hin, Edgie ist mein Freund. In Oschatz ist die nächste Kontrolle, gut 100km geschafft und immer noch nicht so hungrig, dass uns das Gebäckangebot der Tankstelle überzeugt – wir beschließen, uns nur schnell neues Zuckerwasser in die Flaschen zu kippen und dann doch erstmal übern Berg zu fahren. Also den “Berg”, den Collmberg – nachdem die andere Frau aus unserer Startgruppe Angst und Schrecken vorm Anstieg verbreitet hat, kräht mein Hirn fortwährend “Scheiß drauf, du warst schon aufm Galibier”, und trotz aller Anerkennung der Mühe, die sich die Leipziger Tieflandsbucht gegeben hat, sich hier einen auffälligen Pickel wachsen zu lassen, bereitet mir die Auffahrt deutlich mehr Freude als Schmerz. Im Anschluss sind wir dann auch hübsch ausgehungert und räumen in Dahlen einen Bäcker halbleer (grandioser Pflaumenstreuselkuchen!), speisen stilecht auf dem Pflaster davor, dann geht’s wieder ins öde Flachland.
Eigentlich ja alles anspruchslos und sogar der Wind hat sich beruhigt (oder steht wieder günstiger), aber trotzdem könnt ich mir bei Kilometer 150 wahrlich nicht vorstellen, nochmal soviel zu fahren. Schlimmer, bis zur dritten Kontrolle (175km) werd ich immer lahmarschiger und führe permanente Diskussionen mit mir selber, dass es doch Quatsch wär, mein schönes Fahrrad in den Graben zu werfen und mich daneben zu legen, denn mein Fahrrad ist unschuldig und ich will wieder heim und wenn ich mich erstmal in den Graben lege, ist überhaupt ungewiss, ob ich wieder hochkomme. Ich zähle Kilometer runter, der Strich aufm Edgie hilft auch überhaupt nicht, der zeigt nämlich grad beharrlich in die entgegengesetzte Richtung vom Ziel, olle Scheiße. Weitertreten, nicht denken. Kann ich eh nicht mehr so gut grad. Nach der Kontrolle an der Tankstelle von Bad Düben esse ich eine Dahlener Restbrezel und diese füllt magisch die Akkus wieder auf, die Beine kooperieren plötzlich wieder, wir dürfen jetzt Richtung Bennewitz fahren und außerdem rückt das Zehnstundenziel in greifbare Nähe, wär doch schon cool, das jetzt noch hinzukriegen. Wir rasen also ohne alberne Umkleidepausen (den ganzen Tag kurz-kurz, yay!) durch bis zum Ziel, kriegen kurz vor Schluss noch einen kitschigen Sonnenuntergang und dann isses geschafft, jippie! Wir haben verspannten Rücken und Nacken, am nächsten Morgen arg müde Beine und wunden Pops, aber natürlich, das erwartbare Ergebnis: “Wollen wir nicht in zwei Wochen die 300 mitfahren?” (Nee, ich will n neuen Sattel, echt mal.)