Any day could be the last nice day for a long time.

Month: December, 2017

Just move on move on move on

“…Andererseits, wenn du dir immer alles ersparst, erlebst du auch nichts.” – Wolf Haas, “Wie die Tiere”

Me, I like sleeping/Specially in my warm own chamber/But here I am in the middle of the damn forest with a ripped tyre and up to my ankles in mud and having a lot of Poland feelings only worse

Mit den Worten des Hausmeisters of Doom: “Da hammse wenigstens was zu erzählen.” Frohe Weihnachten und viele gute Geschichten im neuen Jahr wünsch ich euch!

Przepraszam seems to be the hardest word (2)

(Den ersten Teil gibt’s hier.)

Samstag. Schon wieder erstaunlich zeitig aufn Beinen, kurz mal Klappstühle ausgepackt und gleich wieder eingepackt wegen Sprühregen, dann doch wieder regenverdünnter Morgenkaffee im Stehen. Die Landroverjungs haben uns inzwischen so lieb, dass sie beschließen, uns den ganzen Tag hinterherzufahren, also geht’s im Konvoi los. Heute mit Edi am Steuer, Anja am Roadbook und mir in Wathose. Die erste Wasserdurchfahrt wird problemlos genommen, die zweite stellt sich als fieses Sumpfloch heraus, in dem ich schon nach einem Schritt hüfttief versinke. Als ich das Drama für die Nachwelt festhalten will, glänzt meine kleine Kamera durch Abwesenheit. Hm, aus der Jackentasche kann sie ja eigentlich nur in die Wathose gefallen sein – da ist sie aber definitiv nicht, und im Auto taucht sie auch nicht wieder auf. Es bleibt ein Rätsel, vermutlich hab ich sie doch mit sagenhaftem Geschick im polnischen Sumpf versenkt. Mist. Nachfolgend kommt sogar immer mal die Sonne raus, erzeugt hervorragendes Fotolicht und ich beiß mich gleich noch mehr in den Arsch. Ich Depp.

An ernsthafte Schwierigkeiten übern Tag kann ich mich nicht erinnern, keine Ahnung, ob das nun daran liegt, dass wir inzwischen so toll eingespielt sind, oder daran, dass wir eh an allen komplizierten Stellen nur noch abwinken und lieber erstmal Kaffee trinken. Deutlich weniger Matsch, die Streckenführung ist jetzt eher so 5km aufgeweichter Waldweg, dann wieder 5km Holperstraße an drei Häusern vorbei. Überraschend erreichen wir am späten Nachmittag immerhin noch eine weitere besetzte Special-Task-Station, an der wir eine hervorragende Seilschaukel finden (fürs Schaukeln gibt’s leider keine Punkte) und dann Codes von Bojen im See holen sollen. Ich finde mich gedanklich schon damit ab, jetzt mal schwimmen zu dürfen, da bieten uns die Landroverjungs ihr Schlauchboot an. Ihr Schlauchboot? Sie haben ein Schlauchboot?! Warum haben sie dann gestern Nacht keine Seilbrücke gebaut? – “Joa, halt keine Lust.” Oh, diese Leute.

Anschließend gibt’s noch einen Medical Task, die Little Anne (also die polnische – Little Aneczka?) liegt schon bereit und Anja springt sofort los, wackelt an der Schulter, spricht an, prüft den Atem und steht schon kurz vor der Herzdruckmassage, als Frau Marshal unterbricht: “Ok, you’re dead. Flowers for your family”, denn dass da ne olle Stromleitung rumlag, hat wieder keiner gemerkt. Immerhin das Suzukiteam kann hier noch Punkte holen, als Ingenieur ist man ja auch nicht ganz so scharf auf Reanimation wie ne Ärztin…

Joa, und zurück auf die Strecke, es fängt an zu regnen und hört auch nicht mehr auf, irgendwann werde ich zum zweiten Beifahrer degradiert und habe, abgesehen von einem kurzen versumpften Wegstück (easy: Suzuki fliegt einfach drüber und zieht uns dann an seiner Superwinde durch), wenig zu tun. Nach dem obligatorischen Tankstellenbesuch mit Hotdog findet dann nur noch Fahren um des Fahrens Willen statt, bis Anja an einer Straßenquerung ermittelt, dass wir übrigens auch noch knapp 90km zum Camp vor uns haben, wir brechen also ab und fahren zurück, vermutlich durch konstanten Regen, weiß ich nicht so genau, auf der Rückbank war’s langweilig und es gab ein Schaffell und eventuell hab ich mal bisschen Schlafdefizit ausgeglichen. Kurz nach elf zurück im Camp; es endet, wie es anfing: im Dauerregen Zelte aufgestellt, Bierreserven eingehend besichtigt, in Tiefschlaf gefallen.

Sonntag. Ich wache auf, der Dauerregen dauerregnet fleißig vor sich hin, mein Gestängesack ist verschwunden und ich krieg bisschen Laune, aber bald klart der polnische Himmel auf und wir können trocken frühstücken und sogar in der Sonne den Abkündigungen lauschen (“We have plenty of mud and are eager to share it!”). Erstaunlicherweise sind wir irgendwo im Mittelfeld gelandet, der Suzuki hat in seiner Klasse sogar Platz 3 erreicht (von 4, aber hey), und dann geht’s bald auf die vielstündige Heimfahrt durch auf einmal gar nicht mehr so trostlose Landstriche. Polnischer Qualitätsmatsch, ich hoff ich seh dich wieder!

Przepraszam seems to be the hardest word (1)

Warnung, es folgt: fürchterlich viel Text, denn nachdem ich ewig rumgenervt habe, hat mich die allerbeste Anja im Oktober endlich auf ihren Beifahrersitz eingeladen und ich durfte mit ihr und Hias, Martin und Edi als zweitem Rallyeazubi ins menschenleere, dafür aber umso aufgeweichtere Nordwestpolen fahren, um dort an der 44. Pomerania Trophy teilzunehmen. tl;dr: Es war herrlich!

Donnerstag. Vielstündige Anfahrt (und meine war nur halb so vielstündig wie die der restlichen Meute) durch Deutschlands trostloseste Landstriche, bei Orkan. Das Radio warnt immer mal, heute auf keinen Fall das Haus zu verlassen, schon gar nicht Auto zu fahren und ganz besonders nicht in der Nähe von Bäumen. Da ich mich aber mit der Wettervorhersage deutlich intensiver beschäftigt hab als mit der Ausschreibung (kein Orkan, nur drei Tage Dauerregen, kein Problem), mach ich mir wenig Sorgen um den Abend und genieße das Schauspiel. In Polen gibt’s abenteuerliche Umleitungen, einen Tank-, Hotdog- und Einkaufsstop und dann reiten wir auf dem Campingplatz ein und bauen unser Nachtlager (Edi unterm Tarp, nur die Harten).

Freitag. Hias hat nächtliche Weckzeiten angekündigt, und Vorfreude macht’s möglich, ich bin tatsächlich wach und fitter als den ganzen letzten Monat. Das Supercamp reist natürlich mit zwei Bialetti, sodass es stilecht Kaffee, Milchbrötchen und Apfelschnitze vom Anhänger gibt. Regnet glaub ich nichtmal.
Wir verlassen pünktlich das Camp, war die Ansage. Naja, fast. Anja fährt den Patrol, Edi und ich fahren bei, Suzuki mit Martin am Steuer und Hias nebendran, wir rollen etwa hundert Meter vom Campingplatz, da hustet der Suzuki und bleibt stehen. Die Besatzung ermittelt schnell, dass die Benzinpumpe im Arsch ist, “Es geht immer das kaputt, was man nicht dabei hat!”, also spontane Planänderung, wir versuchen erstmal zu viert, ein Ersatzteil aufzutreiben und Martin bleibt zurück und streichelt das Auto oder so. Schon der dritte Händler kann uns eine organisieren (“Heute Nachmittag. Wahrscheinlich kommt da aus Drawsko einer mitm Fahrrad rüber und sammelt unterwegs noch paar Pilze.”), okay, also schleppen wir den Suzuki erstmal zurück ins Camp und nutzen den restlichen Vormittag, um alle zusammen im Patrol bisschen Spaß mit dem Roadbook zu haben.

Ich fange gleich mal das Roadbook, Hias liest simultan und da kann ja nix schiefgehen. Sehr kurze Eingewöhnungsphase, dann kommt auch schon das erste tiefe Matschloch und wir revidieren Anjas Aussage: “Schlechtes Wetter ist egal, wir sitzen ja die ganze Zeit im Auto.” Ja Scheiß, die Fahrerin vielleicht. Der Beifahrer darf die Wattiefe aller Löcher bestimmen (Supercamp hat zwei ABC-Schutzanzüge dabei, Supercamp ist vorbereitet auf alles) und Maßnahmen einleiten, das Auto aus jenen rauszuholen. Zu Fuß wär man schneller, aber die Aufgabe ist halt, zwei Tonnen Blech durch den ganzen Dreck zu befördern. Dank der beiden Profis auf der Rückbank werden wir Rallyeazubis aber gleich mal hervorragend in die Bedienung der Winde eingearbeitet, das läuft. Und unsere Sandbleche machen uns neue Freunde, die funktionieren nämlich auch in weichem Lehm einwandfrei und befreien die beiden vor uns feststeckenden Landroverjungs.

Ein Stück weiter stehen die Autos Schlange, wir sind also gar nicht mal so weit hinterm Feld. Da wir soviel Bedenkzeit hatten, wie wir das aktuelle Loch überwinden, läuft das easy, es folgt nur noch eine schräge, modderige Kurve, dann sind wir raus. Anja: “Ich denk nicht, dass das noch ein Problem ist.” Enter Murphy, der Patrol rutscht seitlich ins Gestrüpp und muss sich vom grummeligen G-Fender-Team nach hinten rausziehen lassen (wahrscheinlich bekamen die gesetzten Herren leichte Kopfschmerzen dabei, uns Rallyeazubis beim Rumstümpern zuzugucken). Nuja, Tankstellenmittag und weiter auf die Panzerpiste, mit dem Sandboden kommen die Patrolreifen deutlich besser klar, noch bisschen im Wasser rumgebatscht und Sachen eingematscht und wenn erstmal alles heillos nass und verdreckt ist, ist das schon ne ziemlich grandiose Sache alles.

Gegen drei klingelt Hias’ Handy, man muss die Polen für die Effizienz ihrer Telefonate lieben – Hias: “Joa?” – Mechaniker: “Pompa!” – Hias: “Ok, we’ll come in an hour!” Runter von der Piste, hin zum Händler, Teil geholt, zurück zum Camp, Benzinpumpe eingebaut, und nun kehrte auch endlich das Leben in Martin zurück, schnell wieder rauf auf die Piste. Da Anja und Edi auf den Stress erstmal ein Bierchen trinken mussten, hab ich bei der Überführung die Freude, das Schiff auch mal fahren zu dürfen, aber im Gelände geb ich direkt wieder ab, mein fahrerisches Können erschöpft sich nämlich darin, n Opel Corsa über Dorfstraßen zu bewegen, ich fühle mich hier dezent unterqualifiziert, der Corsa hat nämlich z.B. gar keine Differentialsperren. Mit dem Roadbook komm ich da deutlich besser klar.

Erst spätnachts folgen die von Anja begeistert angepriesenen Special Tasks, Aufgabe 1: “Your car is upside down, you can’t sleep in the car, the weather gets worse, build a camp for the night.” Indem wir unser schnödes Zelt aufstellen, wählen Anja und ich ganz klar die Langweilerlösung, Edi bastelt sich indes sein Tarp an die Front vom Patrol, hockt mit roter Lampe (“for the romantic atmosphere”) drunter und fängt schonmal an, uns einen Nachtkaffee zu brauen, Hias und Martin verspannen die noch viel kleinere NVA-Plane an ihrer Axt und quetschen sich irgendwie zu zweit darunter, eindeutig die Sieger der Herzen.

Ok, Aufgabe 2: Seilbrücke übern Fluss bauen und an dieser ein Teammitglied mit schweren Verbrennungen an den Händen, das also nicht selber hangeln kann, aufs andere Ufer befördern. Nuja, es ist nach elf, die Nacht ist kalt, der Fluss ist breit, das Windenseil vom Patrol vermutlich gar nicht so lang, sieht alles nicht so nach Erfolg aus. Irgendwie bekam dann aber Martin den Rappel und wollte dringend mal im Fluss baden, und eh wir den Plan richtig durchdenken konnten, war er schon mit dem Windenseil vom Suzuki auf der anderen Seite und im Baum, wo der Gurt auf 3-4m Höhe anzubringen war. Da die Heldenleistung nun schon vollbracht war, fügte ich mich widerstandslos in die Feststellung, dass ich als leichtestes Teammitglied optimal zum Ziehen geeignet sei (Klettergurte sind im Kofferraum, Supercamp ist vorbereitet auf alles), wurde gezogen und Martin schaffte es auch irgendwie, sich selbst am Baum zu halten, mein Zugseil zu halten und mit der dritten und vierten Hand noch seinen Gurt auszuklinken, völlig unklar das alles. Immerhin wurde uns der Rückweg übern Fluss erlassen und wir durften über die Brücke wandern, wo uns die allerbeste Anja schon mit dem beheizten Patrol entgegen kam.

Kurzes Aufwärmen mit Kaffee am Lagerfeuer, dann weiter. Ist ja auch erst halb eins, da kann man noch richtig was reißen. Leider wurden die folgenden zwei Stunden sinnlos erschwert durch einen kleinen Roadbookfehler (Hias beherrscht Stufe 2 des Roadbooklesens: Fehler erkennen, Ursache richtig raten und richtigen Weg zum falschen Bild finden), zunehmenden Kackmodder (zum Glück war der schwere Landrover inzwischen unser ständiger Begleiter geworden und konnte den Patrol immer mal aus dem Matsch ziehen) und Müdigkeit aller Teilnehmer, das offizielle Camp war weit weg und so beschlossen wir, nach Beendigung der Schleife an der Special-Task-Station zu übernachten. Grandios, drei Geländewagen rumpeln auf die Wiese, wo schon das Zelt der Marshals steht, aber dann: “Wir müssen flüstern, sonst wecken wir sie noch auf!” Noch n Bierchen auf die Erfolge, räudiger Texastopf als Betthupferl, dann Schlafsack und Koma.

(Den zweiten Teil gibt’s hier.)