Any day could be the last nice day for a long time.

Month: June, 2015

Of Wolf and Man

Schon wieder könnte ich mich fragen, wie ich da reingeraten bin. Undi schwärmte von etwas namens Tri-O-Lon; ich meinte, wenn wir schon extra nach Brandenburg fahren, dann machen wir natürlich die längste Strecke, damit sich’s auch lohnt. In den Wochen danach fällt mir zwar wieder ein, dass ich OL-Karten nicht lesen kann und es durchaus wahrscheinlich ist, dass wir den Zielschluss verfehlen, aber irgendwie sind wir am Ende doch auf der Elitestrecke gemeldet. Manu prophezeit mir prompt, dass ich bestimmt im Wald verloren gehe und von Wölfen gefressen werde; kurz vor Abfahrt beruhigt mich Uli durch ihre fachkundige Meinung, in Brandenburg sei es weitaus wahrscheinlicher, von Bären gefressen zu werden. Na dann.

Am schönen Tonsee müssen wir erstmal meiner Startnummer nachjagen und kurz vor knapp erklärt mir Martin nochmal ein paar Kartensymbole und vermutlich auch die Zuordnung von Postenindex zu Postennummer, aber meine Aufnahmefähigkeit kurz vorm Start ist halt doch eher begrenzt. Meine Erwartungshaltung war, wir haben hier einen Triathlon mit bisschen Orientierung dabei. Falsch: wir haben hier Hardcore-Orientierung in drei Disziplinen, wobei keiner der Teilnehmer aussieht, als hätte er schonmal an einem Triathlon teilgenommen. Die triathlonübliche Materialschlacht fällt komplett aus, am Schwimmstart gibt’s Bikinis und Schlabberhosen, im Wechselgarten liegen (ja, liegen! Fancy Radständer leistet sich vielleicht die DTU!) wacklige Großväterräder neben quietschenden Mountainbikes aus den 90er Jahren. Auf unserer Strecke sind 16 Leute gemeldet, der Veranstalter meint, wenn’s noch 5 mehr werden, wird ihm das zu groß, dann kann er’s nicht mehr machen. Und alle außer mir sind erfahrene Orientierungsläufer, jippieyeah.

Orientungsschwimmen ist erstmal schwer vorstellbar. Funktioniert dann so, dass man eine kleine, laminierte Karte um den Arm geschnallt kriegt und Posten auf Bojen anschwimmen muss. Das klappt hervorragend und ich komme gemeinsam mit Undi aus dem Wasser. Am Wechsel spare ich dank Trisuit massiv Zeit ein, andere ziehen sich erstmal seelenruhig um. Ich entscheide mich spontan gegen die Radschuhe, gibt ja eh keinen Berg. Rückblickend muss ich sagen, es wär dann auch egal gewesen, ob ich sechs oder sieben Mal einen Schuh zu mache…

Ich seh grad noch Justus vor mir wegfahren, sehr gut, hinterher. Überall steckt man in herrlichen Brandenburger Sandwegen, der blöde Wald sieht überall gleich aus, ich find die Karte ziemlich scheiße, hab keinerlei Gefühl für Distanzen, vermute zwischendurch schon, aus der Karte rausgefahren zu sein, bin dann aber doch richtig und nach dem 6. Posten bricht sogar Justus wieder vor mir aus dem Wald, der anscheinend bisschen sinnlos im Kreis rumgefahren ist. Alles funktioniert einwandfrei bis zu meiner Rückkehr in die Bungalowsiedlung am See, wo ich plötzlich am Uferweg stehe, den wir explizit nicht befahren sollten, und ein paar dusslige Spaziergänger stimmen auch gleich ein: “Och, jetzt kommt ein Fahrrad, na da hamm Sie sich aber vertan!” Also zurück, der Wald enthält deutlich mehr Pfade als die Karte, also quasi nach Kompass zum 10. Posten (oder dem, was ich dafür halte) und mit wiedergewonnener Orientierung zum Wechsel, den ich sogar vor Undi erreiche.

Mit dem Start zum Laufen setzt ein zünftiger Regenguss ein, binnen fünf Minuten ist die Karte in meiner Hand ein nasser Lappen, immerhin freu ich mich nun wieder, quasi noch im Badeanzug zu sein. Das währt nicht lange: ein Trisuit ist wirklich das ungeeignetste Kleidungsstück, das man zum OL tragen kann. Während ich durchs nasse Unterholz streife, begreife ich recht schnell, wieso die Gegner eher in müllreifen langen Trainingsanzügen umherlaufen. Immerhin wird mir nun auch mal klar, wie das Mapping zwischen Postennummer und Index zu lesen ist, und ich prüfe das penibel (was sich auch lohnt, denn im Wald stehen weit mehr Posten rum, als auf meiner Karte aufgemalt sind – Faustregel: wenn man ihn erreichen konnte, ohne sich neue Kratzer zu holen, ist es der falsche).

Undi ist bald an mir vorbeigezogen, sodass ich am 13. Posten mutterseelenallein verloren gehen kann. Ich muss Pipi, ich hab Hunger, ich möchte sterben und von Wölfen gefressen werden, ich gucke in die Karte wie ein Analphabet und erst nach 200m in die falsche Richtung wird mir klar, wo ich eigentlich hin muss – nicht aber, was wohl die rote gepunktete Linie sein könnte. Es stellt sich raus: ein Graben voller Gestrüpp. Macht Laune. Immerhin weiß ich danach wieder, wo ich bin (wenn die ganzen vorhandenen Pfade eingezeichnet gewesen wären, das hätte vielleicht gefetzt!).

Die Auswahl der Trailschuhe war goldrichtig, ohne Profil geht hier gar nichts. Schnürsenkel waren jedoch eine dämliche Idee, zig Mal gehen meine Schuhe auf, trotz raffinierter Doppelschleifen und Dreifachknoten. Aber anscheinend ist man im OL resistent gegen die segensreichen Erfindungen der Neuzeit, kein Mensch benutzt Schnellverschlüsse, alle knoten und knoten. Nach dem vierten Mal hab ich die Schnauze voll und denk mir, meine durchweichten Schuhe kleben mir eh von allein an den Füßen. Das stimmt soweit – bis ich mit Schwung in einen Matschgraben hüpfe und jenen ohne rechten Schuh wieder verlasse. Hmpf.

Der 26. Posten ist abermals in einem Wassergraben versteckt und ärgert mich ordentlich, dann geht’s endlich Richtung Ziel, die Konzentration hat schon arg gelitten, ich gönne mir noch den obligatorischen dussligen Sturz (immerhin auf weichen Waldboden, kein Blutbad diesmal) und erreiche dann tatsächlich als Allerletzte das Ziel. Wo ich auch noch erfahre, dass mein 10. Radposten der falsche war, der richtige hätte keine 100m weiter gestanden. Prima, immerhin kann man vom Ende der Liste nicht noch weiter abrutschen. Positiv zu vermerken ist, dass Dschej und Martin wunderbare Coaches abgaben und zur rechten Zeit das Bier/Radler bereithielten, dass ich weder von einem Wolf noch von einem Bären gefressen wurde, den Zielschluss um eine halbe Stunde unterbot und das bestimmt alles äußerst charakterbildend war. Das überlassen wir mal lieber den Profis.

A piece of cake

Wie bin ich da nur wieder reingeraten! Neulich vorm Training hatte ich das Gefühl, demnächst vor Hunger umzukippen – also schnell vorher noch zum Bäcker und ein Stück Kuchen reinschieben. Und weil die Quäldich-Kleidung immer wieder der ideale Conversation Starter ist, sprach mich die Bäckersfrau auch direkt darauf an, und im ungefähr zweiten Satz fiel ihr dann ein, dass ich doch vielleicht halbwegs sportlich bin, sie sucht noch eine Läuferin für die Rennsteigstaffel, ob ich nicht Lust hätte. Das allein wär erstmal so bisschen witzig, aber eine Woche später klingelt tatsächlich mein Telefon: “Du hast doch letzte Woche mit meiner Frau gesprochen, wir müssen mit der Planung fertig werden und uns fehlt immer noch eine Läuferin. Würdest du’s machen?” Als ich dem Herrn verrate, welche Zeiten ich üblicherweise so laufe, hält er kurz inne und meint dann “Na besser so als gar nich.” Prima, dann wär meine Rolle ja auch definiert.

Für ernsthafte Vorbereitung ist da natürlich schon alles zu spät, also verlaufen die restlichen fünf Tage gemäß dem Motto des Quäldich-Chill&Relax-Teams “Leistungssteigerung durch Regeneration”. Diese Regeneration ist schon ne feine Sache, das kann ich nur jedem empfehlen.

Samstag Morgen ist sogar noch Zeit für Ausschlafen und geruhsames Frühstück, ehe es losgeht zu meiner Wechselstelle in Masserberg. Dort finde ich mittels Hellseherei sogar auf Anhieb mein mir gänzlich unbekanntes Team (hinterhältigerweise ist die Bäckersfrau selbst überhaupt nicht beteiligt), werde freundlichst von vielen netten Menschen begrüßt und mit einem herrlichen fliederfarbenen Team-T-Shirt versorgt. Ich bin noch beim Aufwärmen, da brüllt plötzlich jemand “Juja! Wechsel!” – Mist, schnell die kleine Anhöhe zum Sportplatz durchs tiefe Gras hochkraxeln, Schuhe nass, Beine überfordert, dann kann’s ja losgehen.

Entsprechend katastrophal sieht auch der erste Kilometer aus. Noch auf der Strecke zwischen Wechselstelle und Parkplatz meint eine Spaziergängerin ganz mitleidig “Na, hast du’s endlich geschafft?” – hmm nee, ich lauf grad los. Das wird super. Ja, wird’s: nach dem Parkplatz fängt die wundervolle Rennsteig-Waldlauf-Bilderbuchstrecke an. Mit Heimatbonus für mich. Schmale, holprige Wurzelwege, kleine Pfade durchs Gras, so stellt man sich das vor, schöner kann man nicht laufen. Schneller schon, wie mir die überholenden Mitläufer beweisen – aber was soll’s, besser so als gar nich, ne.

Im Rahmen meiner Möglichkeiten läuft es großartig. Das Wetter ist perfekt (kühl, leichter Nieselregen wechselt sich ab mit kurzen Sonnenflecken), ich habe einen netten und fähigen Radbegleiter (danke, Hagen!) und mein Papi steht gefühlt alle paar hundert Meter an der Strecke, um frische Motivation zu spenden. Da bin ich selber ganz überrascht, wie schnell Kahlert erreicht ist – und ab da geht’s ja dann wirklich wie von allein… und tatsächlich erreiche ich schließlich in der von Ingolf äußerst optimistisch geschätzten Zeit das Ziel in Allzunah, wo mir Schokoriegel, Apfelschorle und ein Schokocookie in der Größe eines Frühstückstellers in die Hand gedrückt werden, begleitet vom wärmsten Dank. Na wunderbar, so kann man doch mal einen Samstagvormittag verbringen!

The… pond is dark and full of… carp

Moritzburg veranstaltet womöglich den weltweit einzigen Triathlon mit brauchbaren Startzeiten: nämlich nach dem Aufstehen. Und zwar bequem. Das trifft allerdings nur zu, wenn man die Anmeldung zum Sprint nicht verpennt. So wie z.B. ich dieses Jahr. Tja hm, dann halt doch Olympische Distanz und Frühaufstehen. Panik?

Spätestens aber, als am Sonntag Morgen “Summer of ’69” und ähnliche Perlen der Prä-Wettkampf-Beschallung auf den Schlossteich hinausplärren, wächst mir das übliche irre Vorfreudegrinsen. Triathlon! Jippie! Und das sogar bei warmem Wasser – Neoprenverbot mon amour… Was ich nicht bedacht habe: der durchschnittliche Triathlet abzüglich seines Neoprenanzugs ist wohl ungefähr so schwimmfähig wie die Titanic nach dem Eisberg – ne Weile geht’s, aber das Debakel ist absehbar. Also 500 Meter Haifischbecken, und was dann passiert, erinnert an Seniorenschwimmzeit im Hallenbad: sehr viel Brust und sehr viele Füße, die so beherzt wie ungerichtet durch die Gegend treten. So ein desaströses Schwimmen hab ich überhaupt noch nie erlebt.

Nach dem Schlammtreten dann Wechselzonenlauf, schnell bin ich grad nicht, aber im Gegensatz zu meinen Gegnern kann ich mich immerhin erinnern, dass die Zeit weiter läuft. Schon leicht k.o., Frühstück ist auch bald durch, also schnell was essen und dann aufs Rad.

Auf der Strecke ist erstmal keiner da. Komisches Gefühl. Dann die Überraschung: es gibt doch einige Mädels. Und die zweite Überraschung: die sind nicht nur zur Dekoration da, sondern die können Radfahren. Und zwar schnell, verdammt. Ich hänge mich an ein Grüppchen dran, wir spielen bisschen Fangen, auf der zweiten Runde hab ich den Überblick verloren, ob die jetzt nach vorn oder hinten verschwunden sind. Es klärt sich 5km vor Schluss: nach hinten. Und flups, sind sie vor mir und binnen kurzem nicht mehr zu sehen. Ich ahne, dass das nicht so mein Tag ist.

Aber egal, Triathlon! Jippie! Nach dem üblichen Geschlurfe in T2 muss ich also nur noch den Lauf überleben, bei zunehmender Mittagshitze. Und überraschend fühlt es sich gut an! Aber ach, Gefühl und Realität – schließlich überholt mich sogar ein Herr in Donald-Duck-Watschelgang, ich kann nichts dagegen tun und wünsche mir, auch so schnell watscheln zu können. Immerhin kurz vorm Ziel findet sich noch ein Gegner, mit dem ich mir eine absurde Verfolgungsjagd liefern kann, ehe mich mein lautes Brüderchen die letzten Meter ins Ziel brüllt. Dass ich keine Viertelstunde später schon wieder für den Plan zu haben war, gleich weiter in den Dresdner Garten zum Grillfleisch zu radeln, lässt ja zumindest vermuten, dass da noch Luft nach oben war…