Any day could be the last nice day for a long time.

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Category: Irgendwas mit Startnummern

Can we do it again tomorrow

Eigentlich ist OL/MTBO ja der ideale Sport für so ne Pandemie: man ist draußen, man sieht kaum mal einen Menschen, und insgesamt gibt’s eh nur drei Teilnehmer (ok, ein paar mehr, aber jedenfalls wenig). Trotzdem ist das MTBO-Wochenende bei Dresden die erste und womöglich letzte MTBO-Veranstaltung dieses Jahr, nichts wie hin da!

Los geht’s am Samstag mit einer Mittelstrecke bei Rochwitz, grob 10km, allerdings für mich auch fast 400Hm, das wird vermutlich anstrengender, als ich das im Sinn hatte. Mir fehlt völlig die Routine diesjahr, ich bin furchtbar hibbelig und lege fast einen Fehlstart hin, eh ich dann doch plangemäß meine Karte bekomme, in den Wald rolle und mich etwas beruhige. Die Karte ist jedenfalls super und ich komm schnell wieder rein, stelle nur fest, dass ein Effekt des verstärkten OL-Trainings ist, dass ich jetzt dringend die Karte mitdrehen muss, also nochmal kurzes Päuschen, um sie so auf dem Kartenhalter zu befestigen, dass sie in keine Richtung davonfliegt. Die Wege sind das wunderbare Optimum von kleinen fahrbaren Wurzelpisten, die grad soviel Kraft und Koordination erfordern, dass es noch sehr viel Spaß macht und auf keinen Fall langweilig wird, da kann man also richtig mountainbikern, muss dazwischen noch Karte lesen und vielleicht sogar bisschen denken, gleich drei Wünsche auf einmal! Grandios, endlich wieder MTBO zu fahren. Es gibt feine Aussichten über die Elbe auf Dresden, ich schließe immer mehr Freundschaft mit dem Stück Wald hier (über einen umgestürzten Baum klettere ich im Laufe des Rennens tatsächlich vier Mal), am Fernsehturm gucken wir auch mal vorbei, und ich finde sogar ein paar Anlässe, mein Rad zu schieben, Dresden hat doch Berge, und es wär hier schon hilfreich, wenn ich technisch nicht ganz so’n Depp wäre. Nach knapp zwei Stunden bin ich dann endlich durch, der Zielschluss war ganz schön sportlich angesetzt. Das war anstrengend. Aber schön. Aber anstrengend!

Zielkuchen, Riesensofteis, dann Abendverpflegung vom Grill und selbstgebrautes Bier von meinem Brüderchen, ausschlafen, und los nach Pirna, wo am Sonntag der Elbtal-MTBO (2h Score) stattfindet – wahlweise einzeln oder im Zweierteam, wobei auch Zweierteams pandemiebedingt einzeln fahren müssen, die Punkte werden dann einfach addiert. Wieder bin ich hibbelig und obwohl der Himmel bisschen grauer aussieht, ist es immer noch unmäßig heiß. Läuft heut nicht so für mich: ich brauch erstmal eine kleine Ewigkeit, um in die Karte reinzukommen, weil ich irgendwie die Info verpasst hatte, dass der Start 700m entfernt vom Start eingemalt ist, und erst nach der kleinen Ewigkeit komm ich auf die Idee, mal auf ne Uhr zu gucken, womit ich nun nur noch raten kann, wann ich eigentlich gestartet bin (die Startzeiten entsprachen eher Phantasie des Veranstalters als der Uhrzeit). Auch die Karte selbst bereitet mir leichte Schwierigkeiten – Strichstärken der Wege geben Auskunft über Fahrbarkeit, nicht aber über Sichtbarkeit, und so rolle ich mehr als einmal an einem Abzweig vorbei. Und gucken kann ich auch nicht, ein paar Blödheitsfehler sind also auch noch drin. Aber auch diese Karte enthielt ein paar malerische Wege – wenn’s schon strategisch nicht sinnvoll war, in die Berge zu fahren, dann doch zumindest landschaftlich. Bergab dann Zielsprintmodus: der eine Posten geht bestimmt noch und der da liegt ja auch quasi am Weg und dann könnte man noch schnell zu dem und wenn ich diesen hier liegen lassen würde, wär’s auch ärgerlich – wunderbar. Mein Zeitlimit hab ich dann auch ziemlich gut geraten, bin pünktlich ins Ziel gekommen und dann ging’s direkt in den Badesee… Das war ein sehr gutes Wochenende!

Ready for some action now

tl;dr: Wir sind irre lang Rad gefahren, und ich hab ein bisschen lang drüber geschrieben.

Aus sicherer Distanz erscheinen die meisten Pläne hervorragend. Im Vorjahresherbst, auf dem Sofa bedacht, klingt zum Beispiel die Idee von Thüringen erfahren einfach nur nett: Start fast vor der Haustür, auf den Kyffhäuser wollte ich ja schon immer mal mit dem Rennrad, und dann gucken wir mal, wie weit wir wohl fahren können. Alles über 200km sind sowieso völlig absurde Distanzen, die ich mir im Ganzen einfach nicht vorstellen kann, geschweige denn abschätzen, welche Wirkung sie auf meine Beine, meinen Kopf und den ganzen Rest entfalten werden.

Über den Winter wird aus der Schnapsidee tatsächlich ein handfestes Vorhaben, wir legen uns einen schlauen Plan zur Vorbereitung zurecht, und wie das mit schlauen Plänen so ist, erweist er sich praktisch umgehend als nutzlos, denn plötzlich ist Pandemie und in den folgenden drei Monaten benutze ich meinen Kalender nur noch, um geplante Erlebnisse durchzustreichen. Aber allein oder mit dem liebsten Mitglied des Haushalts durch einsame Wälder zu gurken, ist auch während pandemischer Einschränkung in Ordnung, also zweisame Einsamkeit, zarte Gewöhnung an längere Langstrecken im Selbstversorgermodus, und Ende Mai rollen wir also tatsächlich an den Start in Porstendorf.

Wir werden kurz begrüßt, es gibt selbstgebackenen Kuchen und drei Sätze Ansprache (sehr sympathisch: “Es gibt paar Vollsperrungen unterwegs, aber nichts, wo man nicht auch mit dem Rennrad durchrumpeln könnte”), dann werden wir direkt losgeschickt, Ansammlungen vermeiden. Vier weitere Radler überholen uns gleich im Gönnatal, dann sind wir allein. Und unterwegs, ja wirklich.

Das Wetter ist perfekt, die Sonne scheint, es sind knapp 20°C, auf dem blauen Himmel sind ein paar fotogene Federwölkchen angeordnet. Großartig. Schnell sind wir nicht, waren wir diesjahr auch noch nie, also alles wie immer, und der Kopf ist sofort ruhig – völlig egal, wie das ausgeht, hier und jetzt fahren wir Fahrrad, und das ist die Hauptsache.

Die Heimstrecke verlasse ich hinter Sachsenburg – das ist nicht weit von zu Hause, aber was danach kommt, würde ich eher nicht in meine Touren einbauen: wir fahren auf den Ettersberg, vorbei am ehemaligen KZ Buchenwald, und trotz Sonnenschein kann ich die düstere Stimmung nicht ganz aus dem Gemüt drängen, so nah dran. Nach kurzer und nachdenklicher Pause rollen wir mit Schwung hinab ins Thüringer Becken, werden von noch einer Handvoll schwer bepackter Rennradler überholt (das einzige Indiz, dass es sich um Mitfahrer handeln könnte), entdecken in Schloßvippach die Thüringer Institution Bäcker Süpke, aber noch reicht die Verpflegung im Rucksack für ne Weile.

Kurz darauf die erste Baustelle am Weg, völlig undramatisch, aber ein kantiger Kiesel verschafft Justus dennoch einen Durchschlag am Hinterrad. Also Bastelpause, er wechselt Schlauch, ich repariere den kaputten, weitere Langstreckenradler überholen, bieten kameradschaftlich Hilfe an, aber wir sind ja versorgt, also macht’s gut. Die Tankstelle in Sömmerda bringt das Rad dann auch wieder auf angemessenen Rennraddruck, der Ventiladapter ist schon eine wertvolle Erfindung.

Es folgt der Unstrutradweg, verdächtig friedliche Landschaft, es rollt trotz Gegenwind. In Bad Frankenhausen gibt’s als Stärkung vorm Berg kurz Eis, Käsebrötchen und Banane, dann wurschteln wir uns auf den Kyffhäuser, der sich zwar bisschen zieht, aber nirgends garstige Steigungen bereithält – das Gipfelfoto wird uns von einer Polizeiabsperrung verwehrt, also Serpentinen gemeinsam mit hundert Mopeds wieder runter, vorbei am Mopedvolksfest an der Bratwurstbude vor Kelbra, und gleich wieder südwärts.

Die ersten 100km sind fast geschenkt, hatte ich mir gemerkt, aber auch weiterhin lassen die wirklich bösen Anstiege auf sich warten. Sanfte Wellen, meine Laune wellt auch unbedenklich vor sich hin, nur der Hintern schmerzt schon bisschen mehr. Aber, Tagesmotto: “das geht vorbei”, spätestens übermorgen. In Sondershausen füllt Justus bei Kaufland unsere Vorräte nochmal auf (Skandal: es gab keine Bananen!), vorm Laden plaudere ich derweil mit einem Mitfahrer, der heute die Route bis Eisenach, weiter nach Hörschel und dann morgen den Rennsteigradweg fahren will – das Abenteuer ist für jeden, was er selber draus macht. Ein Großvater fragt uns aus, woher und wohin, freut sich sehr und erklärt uns dann, in seiner Jugend vor sechzig Jahren sei er selber Amateurradrennfahrer gewesen. Yay!

Weiter geht’s überraschend fluffig – bahnbrechende Erkenntnis 1: der Körper ist ein einfaches System, man steckt Essen rein, man kriegt Leistung raus. Zuckerinfusion ist also ganz hilfreich. Die Landschaft ist auch sehr lieblich, wir haben Aussicht bis zum Thüringer Wald, völliger Irrsinn der Gedanke, dass wir da jetzt hinfahren. Erstmal aber nach Dingelstädt, wo wir uns eine Abendmahlzeit erhoffen, knapp 190km geschafft, immer noch keine Killeranstiege gefunden, es stehen noch verdächtig wenige Höhenmeter auf der Habenseite, wenn man die zu erledigende Gesamtzahl bedenkt.

In Dingelstädt bekommen wir tatsächlich eine Pizza auf die Hand, sitzen den einzigen Schauer des Tages essend in einem Hauseingang aus und lauschen einer schlechten Coverband, die eventuell im Park nebenan vor keinem oder unhörbarem Publikum spielt. Dann aus der Stadt raus ein Stück Schotter, komischer Track – ah, wir sollen auf den Kanonenbahnradweg fahren! Das ist ein Stück stillgelegte, zur Rad- und Draisinenroute ausgebaute Bahnstrecke, alles topfeben bis leicht abschüssig, idyllisch im Wald gelegen, mit Aussicht auf kitschige Landschaft im Abendrot, wir sausen mühelos dahin und sind dankbar für all die geschenkten Kilometer. Das Highlight: es geht mehrmals durch lange, dunkle Bahntunnel – yaaay!

Langsam kommt die Dämmerung, weiter vorbei an einem im Dunkeln leuchtenden Kreuz am Berg und Marienstatuen (oh, hier ist also die katholische Ecke Thüringens?) nach Faulungen, da ging ein fieser Anstieg aus dem Dorf raus, vielleicht bin ich doch schon bisschen müde. Im Dunkeln trau ich mich auch nicht mehr, richtig schnell die Berge runterzurollen, Martins Flutlichtscheinwerfer bringt zumindest etwas Besserung. Eisenach rückt in greifbare Entfernung, aber überraschend liegt da ein weiterer Berg dazwischen, inzwischen ist es stockfinster, ich möchte mir einreden, der Anstieg sei bald zu Ende, aber dann taucht wieder ein Autoscheinwerfer auf ner Höhe auf, wo ich Nachthimmel vermutet hätte. Ich fühl mich verloren auf der weiten Hochebene, wünsch mich in den Wald, in Eisenach will ich erst recht nicht sein. Laune, auch das geht vorbei.

Justus findet eine Tankstelle mit Nachtschalter, holt uns Wasser und Cola und nach erneuter Zuckerinfusion ist auch meine Laune wieder blendend, ich denk schon drüber nach, ob ich nach Bad Blankenburg noch weiter fahren würde, und auf einmal find ich’s auch ne wunderbare Idee, diesen unnützen Stich hoch zur Wartburg zu fahren. Spukstundenpokal, die Erfahrungen aus dem 12-Stunden-Schwimmen helfen mir heute glaub ich mehr als die vom Radfahren. Das letzte Stück Hotelauffahrt ist gesperrt, was um diese Zeit zwar niemanden interessieren dürfte, aber wir kehren trotzdem um, winken der Burg nur nochmal von weitem. Hinein in den dunklen Thüringer Wald!

Ich bin immer noch erstaunlich munter; vielleicht liegt’s daran, dass wir erst bequem am Vormittag statt im frühesten Morgengrauen gestartet sind. Bahnbrechende Erkenntnis 2: wenn man ausgeschlafen hat, ist man wacher. Leider fällt mir so auch noch meine Fehleinschätzung des weiteren Streckenverlaufs auf: Höhenprofile merk ich mir eh nicht, es geht halt immer mal hoch und runter und ab Eisenach auch bisschen öfter, aber erstmal schrammeln wir nur so am Südhang vom Thüringer Wald lang. Hm, nein – wir queren nachfolgend zweimal den Rennsteig, friedliche Anstiege waren wortwörtlich gestern, und auch am Südhang liegt zwischen jedem Kaff ein weiterer Hügel, wir bewegen uns plötzlich in Zeitlupe.

Die Fresspause hinter Ruhla entfaltet auch keine magische Wirkung mehr, ich bin grad im Eimer, ich will mich in den Straßengraben legen und schlafen, und was läuft eigentlich falsch im Leben dieser Leute, die um diese Zeit mit dem Auto hier durchs Nichts gurken? Nichtmal eine Sparkasse finden wir hier (merke: nächstes Mal vorher recherchieren, unterwegs bin ich dazu nicht mehr fähig), in Floh pausieren wir dann in einem Bushäuschen. Wenn ich flach auf der Bank liege, explodiert mein Rücken, Einnicken unmöglich, stattdessen halt ein halbes Käsebrötchen, mehr will mein Magen grad nicht, weitere Energie müssen Schokolade und Apfelschorle bereitstellen.

Frierend zurück aufs Rad, die Morgendämmerung naht schon, wo ist die Nacht hin? Hier passiert irgendwas komisches mit der Zeitwahrnehmung. Bei der Kälte möchte ich eigentlich nur noch bergauf fahren, wegen Müdigkeit aber nur noch bergab, schwierig. Im nächsten Dorf dann doch noch ein offener, warmer Volksbankschalter, rein und langsam auftauen, etwas ruhen, zusammengekauert mit Kopf auf den Knien stinkt jedes Kleidungsstück an mir anders abartig. Ich müsste essen, aber kann nicht, Mist. Die Wärme tut gut, nur der Kopf kommt nicht zur Ruhe, ich will auf dem Rad sitzen und vorwärts kommen, und sei es im Schneckentempo.

Eine halbe Stunde später begrüßt uns schon Tageslicht, aber so ne euphorische Angelegenheit ist das gar nicht, mir ist inzwischen alles bisschen sehr egal. Dazu weitere Hügel, so langsam hab ich das Hochlandschaf-Stadium erreicht: nix mehr denken, nur blöd und stur da hoch und wieder runter. Das bisschen Morgensonne, das durch die milchigen Wolken kommt, wärmt überhaupt nicht; ich hab inzwischen so viele Schichten an, dass ich aussehe wie eine Schildkröte mit Reflektorstreifen, aber mein Körper hat keine Energie mehr zum Heizen, der konzentriert sich auf die Berge hier.

An der Rennsteigkreuzung ist für uns heute Schluss, mehr geht nicht, it doesn’t spark joy any more. Davor warten noch die letzten 500Hm zum höchsten Punkt der Strecke, immerhin mit zarter Steigung, aber damit zieht sich’s bis Oberhof. Blöd und stur durchtreten, irgendwie ankommen, im Kopf zähl ich schon Kilometer runter, allerdings bin ich ja seit nachts um zwei aufs andere GPS umgestiegen und muss die Gesamtkilometer nun immer im Kopf ausrechnen und Kopfrechnen in meinem aktuellen Zustand, nun ja. Weiter zum Beerberg, Pupshügel, machen wir nun auch noch, und die ganze Nacht hatte ich mir vorgenommen, die mitgenommene Schokorumpflaume entweder in der verzweifeltsten Nachtstunde zu essen oder im Morgengrauen oder am Beerberg zur Belohnung, aber zu keiner dieser Gelegenheiten wollte mein Magen mehr Rumpflaume. Bahnbrechende Erkenntnis 3: spar deine Rumpflaume nicht auf für morgen, sondern iss sie halt einfach, wenn du Bock drauf hast.

Endlich geht’s bergab, eisig kalt, und leider bin ich nicht schlau genug, jetzt doch noch Shoecaps und lange Handschuhe rauszuholen für die paar Kilometer bis Ilmenau. Aber unten scheint die Sonne, der Zug nach Hause wartet schon und während wir langsam auftauen, nicken wir dann auch direkt ein. Trotz allem sehr zufrieden, ich bin noch nie so weit gefahren und nie die ganze Nacht durch, meine Schultern tun fies weh (bahnbrechende Erkenntnis 4: es ist eine dumme Idee, während >150km auf dem Rennrad einen ziemlich vollen Rucksack aufzuhaben) und Justus’ Knie ziept, bis hier war’s schön und nun reicht’s erstmal.

(~350km – 5000Hm – 22:30h unterwegs – 18h reine Fahrzeit.)

Platz da

Das war ein überraschend zeitiger Saisonstart 2020 (damals, in der Zeit, als man noch wohin fahren und Menschen treffen konnte): ein Wochenendausflug zum Zirkelstein bei Reinhardtsdorf, wo ich irgendwie gleich zweimal zum OL gemeldet wurde, und zwar Seniorenklasse, yay. Am Samstag Abend geht’s los mit Nacht-OL, das hab ich zwar diesen Winter tatsächlich so bisschen geübt, aber vor uns steht ein großer dunkler Wald und da zweifle ich schon ein wenig an meinen Fähigkeiten. Es ist bisschen kalt und stürmisch, im Wald zum Glück weniger, und am Start wabert das Gerücht umher, nasse Füße seien obligatorisch. Na prima.

Halb acht Start, hinein in die Finsternis. Die Richtung find ich schon, der Kompass ist mein Freund, aber ich hab absolut kein Gefühl für Distanzen. Bin ich jetzt am Wurzelstock schon vorbeigelaufen oder kommt der erst noch? Zickzack durch den Wald, Fremdlichter helfen. Die vielfältigen Schattierungen der Karte aber eher nicht, im Dunkeln ist der Hochwald irgendwie voller Dickicht und der ganze Wald ist aufgeweicht vom Wetter der Vorwoche, da sind die Grenzen zwischen Erdboden, Sumpf und Bach im wahrsten Sinne des Wortes fließend. Und überall stehen Bäume im Weg rum, man wurschtelt sich immerzu durch kleine Fichten, allerdings hör ich dabei auch gelegentlich jemanden in meiner Nähe fluchen, das verbindet. Meine Orientierung haut auch erstaunlich gut hin, hat das OL-Training doch was gebracht? Immerhin versteckt sich erst der achte Posten so hartnäckig vor mir, dass ich ein bisschen grantig werde und einfach drauf scheißen möchte, aber nach drei Schleifen taucht er dann überraschend doch einfach auf. Zum Ende finde ich dann auch noch den kleinen Sumpf, dessen Querung aus meinen feuchten Füßen klatschnasse Füße macht, Ziel erreicht, ab nach Hause und ins Bettchen.

Sonntag Vormittag starten wir dann nochmal zur Mittelstrecke bei Tageslicht, das ist vielleicht weniger furchteinflößend, aber irgendwie haben wir halt doch so bisschen müde Beine vom Vortag. Ich orientiere dann auch gar nicht mal so blöd, aber gefühlt sind alle anderen dreimal so schnell wie ich, während ich an mehr als einem Steilhang drüber nachdenke, mich erstmal hinzusetzen und Päuschen zu machen, weil ich grad einen Puls hab wie ein nervöser Feldhamster. Meine Kompassläufe funktionieren alle einwandfrei, aber querfeldein balanciere ich nur ungeschickt auf den Überbleibseln der Forstwirtschaft, während die anderen durch den Unrat hüpfen wie junge Rehe. Was ist denn da der Trick? Training etwa? Na egal, ich komm ja auch untrainiert irgendwann ins Ziel, für heute reicht’s so.