Grad ist gar keine ESC-Jahreszeit, das ist fein beobachtet; allerdings war ich grad kurz davor, das Ergebnis des ESC 2023 zu erfahren, und da hielt ich kurz sinnend inne, um festzustellen, dass ich mich angesichts der Lückenhaftigkeit dieses Blogs nichtmal an die Ergebnisse oder überhaupt den Hergang des ESC seit 2018 so richtig erinnern kann. Ja, man könnte Statistiken auf Wikipedia nachlesen, aber was zählt, sind ja die Momente, die strahlend bescheuerten Beiträge, die im Halbfinale rausflogen, und die Großmütter, die das Herz meiner Peergroup eroberten. Hier sei also meine sehr subjektive Sicht auf die letzten 5 ESC-Jahre nachgetragen:
2018: Aus Lissabon, “All Aboard”. Beide Halbfinals in großer Runde gewürdigt, mit Grillgut und merkwürdigen alkoholischen Kreationen und allem. Zum Finale musste ich dann dringend an einem Adventure Race teilnehmen und es ist mir entgangen. Zur Erinnerung: Deutschland hatte damals Michael Schulte mit einem Liedchen über seinen verstorbenen Vater und ganz viel Herzgesten ins Rennen geschickt, was laut Wikipedia für einen vierten Platz gereicht hat, wtf? Das einzige Lied, an das ich mich beim Drüberlesen erinnern konnte, was der Israelische Beitrag (Netta mit “Toy”), somit hat das womöglich verdient gewonnen. Achja, Alexander Rybak war nochmal für Norwegen dabei und bisschen niedlich, Julia Saymolova für Russland hat mich hart genervt.
2019: Aus Tel Aviv, “Dare to Dream!”. Offenbar verschieben sich die Prioritäten, unter der Woche hab ich Firmenfeiergedöns und verfolge die Halbfinals nur nur halbherzig und unvollständig im Livestream (mit ebenfalls nur halbherzig beteiligter virtueller Gesellschaft) und ins Finale grätscht abermals ein Wettkampfwochenende (MTBO in Petzow) rein, sodass ich den Sieger (Niederlande, Duncan Laurence mit “Arcade”) grad glaub ich zum ersten Mal gelesen hab. Deutschland hat das Duo S!sters mit dem Lied “Sister” ins Rennen geschickt, wir gewannen erwartungsgemäß keinen Blumentopf (vorletzter Platz). Aus dem Stegreif erinnern kann ich mich an genau keinen Beitrag, nach erneuter Sichtung haben mir Armenien, die rumwippende Mad-Max-Australierin, Lettland und die gefiederten Portugiesen gut gefallen.
2020: ESC fiel aus wegen Pandemie, aber geplant war ja schon alles, also gab’s zu den Halbfinals eine Sendung mit den zusammengeschnittenen Musikvideos der Halbfinalteilnehmer, die ich mir eine Woche später oder so mal anguckte, ohne Gesellschaft, und sehr dankbar, die schlechten Lieder, nervigen Moderationen und sinnlosen Pausenacts einfach überspringen zu können (damit wird’s kurz). Der hängenbleibende Beitrag des Jahres war Russland, Little Big, das find ich immer noch großartig und die haben auch noch mehr großartige Videos. Ansonsten find ich in der Recap grad auch Armenien, Aserbaidschan, Georgien und Niederlande ganz hörbar, Ukraine, Lettland und Litauen hatten erfreulich bekloppte Videos. Die Jogginganzug-Isländer von Daði og Gagnamagnið fanden alle super, aber ich hab’s nicht ganz kapiert. Den deutschen Beitrag von Ben Dolic hab ich eventuell überhaupt noch nie gehört?
2021: Nachholveranstaltung aus Rotterdam, “Open Up”. Schwierig, so mitten in der Pandemie – sie haben angeblich harte Auflagen und ne halbleere Arena, aber trotzdem kamen da natürlich infizierte Teilnehmer und Gäste raus, naja. Wir verhalten uns pandemiekonform, ich baue im Wohnzimmer einen Reizüberflutungszirkus aus Bildschirm mit Livestream, Laptop mit BBB-Videocall (virtuelles Beisammensein) und Laptop mit Blog auf, um die Halbfinals zu kommentieren; nur die Limettengetränke sind unvirtuell und greifbar. Das Finale gucken wir dann sogar in echt gemeinsam mit merkwürdigem Alkohol (überlagertem Sekt) bei S., nur nicht live, denn ich hab ja letztes Jahr entdeckt, wieviel besser es ist, den Scheiß und die Punktvergabe überspringen zu können und das ganze auch nicht mitten in der Nacht verfolgen zu müssen. Ganz Europa ist diesjahr dem Charme des italienischen Måneskin-Sängers erlegen, von mir aus doch, gab schon schlimmere Sieger. Deutschland hat Jendrik mit “I don’t feel hate” geschickt, was ich persönlich sogar mal ganz gut fand, aber es wurde trotzdem wieder der klassische vorletzte Kein-Blumentopf-Platz. Unser aller Favorit war der niedliche Portugiese von Black Mamba, mein persönlicher dazu noch die dystopische Technodiva aus der Ukraine. Dänemark hat Modern Talking geschickt, das war sehr schlecht, Litauen bringt nochmal den Freak vom letzten Jahr, Norwegen bringt den “Fallen Angel” mit großen Engelsflügeln, und von Island kam nochmal die Truppe mit den Jogginganzügen (man fragt sich ja, wie weniger als eine halbe Million Isländer eine derartige Menge von merkwürdigen Musikern enthalten kann).
2022: Aus Turin, “The Sound of Beauty”. Nun endlich mal wieder mit echtem Beisammensein, Grillgut und alkoholischem Unfug, aber ohne Bloggen und nur für die Halbfinals, zum Finale sind wir dann mal wieder in Petzow beim MTBO-Fahren (wo ich beim Frühstücksbuffet gespoilert werde, wer’s gewonnen hat, aber man hat ja kommen sehen, dass es die Ukraine wird, denn der ESC war halt noch nie wirklich unpolitisch – egal, ein okayes Lied hatten sie schon auch). Irland hatte den einzigen Beitrag, auf dessen Erträglichkeit und Fußwipptauglichkeit sich alle Mitgucker einigen konnten (Brooke mit “That’s Rich”), flogen aber im Halbfinale schon raus, Subwoolfer für Norwegen (“Give that wolf a banana”) haben auch ungefähr alle begeistert, die serbische zwanghafte Händewäscherin leider nur mich, Malik Harris für Deutschland gewann keinen Blumentopf (letzter Platz). Von Australien kam dieser Dude im Kleid mit Glitzersteinchen vorm Gesicht (musikalisch egal), Finnland lässt mit The Rasmus unser aller Jugend wieder aufleben, Georgien mit Circus Mircus haben eine erfreulich absurde Show, und dank der erfreulichen erneuten Teilnahme von Zdob și Zdub weiß ich jetzt für immer, dass Moldaus Hauptstadt Chișinău heißt. San Marino versuchten sich verzweifelt an einem Plagiat von Måneskin und scheiterten kläglich (aber aus einem Zehntel der Einwohner Islands, die zudem alle keine irren Isländer sind, lässt sich halt noch schwerer geeignetes Material rekrutieren).
2023: Wegen Unpässlichkeit der Ukraine für die Ausrichtung von Spaßveranstaltungen diesjahr aus Liverpool, “United by Music”. Deutschland schickt Lord of the Lost, das kann ja nischt werden, und wegen Auslandsaufenthalt hab ich diesjahr alles versäumt und mich erfolgreich bis Oktober nicht spoilern lassen, wer’s gewinnt, wir gucken also noch viel weniger live als je zuvor und lassen die Halbfinals auch vermutlich einfach weg. Mehr kommt dann eventuell, wenn ich die Show gesehen hab – mit Geselligkeit und Limetten, die weg müssen!