“You couldn’t stop Tradition. You could only add to it.” – Terry Pratchett
Ja, mit diesem Vorsatz melden wir uns aus dem Blogwinterschlaf, denn am 9.2. (ab 20:15 auf ARD und im Livestream) wird “Unser Song für Kiew” ermittelt, was mich grad recht unvorbereitet traf: “Wieso’n Kiew? Hat die Ukraine letztes Jahr gewonnen oder was?” Ach ja, das haben sie, und nun müssen wir da irgendwen zum Singen hinschicken. Ich hab aber keine Zeit, mir das anzugucken, zumal mir das Konzept diesjahr auch echt bisschen blöd vorkommt, es singen nämlich fünf Kandidaten erst einen Coversong und dann alle die gleichen zwei Lieder, und das Publikum muss in vier Abstimmungsrunden verteilt über drei Stunden und untermalt vom Gequassel Barbara Schönebergers entscheiden, wer am Ende was singen soll.
Als strategisches Gimmick wird’s gleichzeitig ein Stimmungsbarometer der anderen europäischen Länder geben, man könnte also ganz clever sein und sich angucken, wen die ehemalige Sowjetunion geschlossen gut findet und dann diejenige hinschicken. Allerdings könnte die ehemalige Sowjetunion ganz clever sein und die schlimmste Kandidatin geschlossen gut finden, das ist alles Risiko.
Zu den Kandidaten hab ich mich nun jedenfalls mal kurz informiert, sodass ich rechtzeitig meine (nach einem einzigen Fünfminuteninterview überaus qualifizierte) Meinung hier zum besten geben und wieder einen wild drauflosgeratenen Sieger bekanntgeben kann (Nicole? – Es wär wieder so ne geeignete Zeit für “Ein bisschen Frieden”).
Axel Maximilian Feige Das ist der Quotenmann zwischen vier Frauen. Ich hab grad keine Lust auf Statistik, aber wie ist denn normal so die Geschlechterverteilung der ESC-Teilnehmer? Ich bild mir ein, da gibt’s schon einen Damenüberschuss, was eventuell daran liegen könnte, dass Frauen im Effektkleid einfach besser aussehen. Aber auch für Axel ist es nicht zu spät, denn mit Bart, langen Haaren und Glitzerkleid könnte er problemlos Conchita Wurst beerben. Musikalisch so ganz nett, bisschen unspektakuläres Songwritergeschrammsel, aber das funktioniert ja auch bei Ed Sheeran und hätte beinah Andreas Kümmert auf die große Bühne gebracht, also nicht ausgeschlossen, auch wenn er mir ein bisschen zu hipsterig (ein Manbun!) und verkopft erscheint für diese Zirkusbühne. Einstiegsnummer von Chris Cornell, das passt wie die Faust aufs Auge, saugut ausgewählt, hilft bestimmt ne Runde weiter.
Felicia Lu Kürbiß Der Name ist eine Strafe und wieso haben diese Kids heuer eigentlich alle Doppelnamen? Im Interview kam sie dann aber überraschend sympathisch rüber und sängerisch, nuja, kann das womöglich ebensogut funktionieren wie damals Lena, man weiß es nicht.
Helene Nissen Kein Doppelname, ok, aber nicht nur deshalb muss sie glaub ich in diesen Wettbewerb noch bisschen reinwachsen. Helene geht noch zur Schule, ist aufgeregt und überfordert und vielleicht findet man das ja niedlich, aber souverän kommt es eher nicht rüber, und auch die Stimme überzeugt mich leider nicht so dolle, dass es das ausgleichen würde. Mit einem Johnny-Cash-Cover zum Einstieg hat sich die Kleene auch ganz schön was vorgenommen: selbst wenn das hinhaut, lässt das ja alle nur todessehnsüchtig zurück und bringt vermutlich niemanden zum Abstimmen.
Isabella Levina Lueen Hier dann das ganze Gegenteil – so souverän, dass es schon nicht mehr symapthisch ist. Die Frau hat’s im Griff und kann auch singen, aber emotional ist man trotzdem nicht so recht dabei, das ist alles zu kontrolliert. Noch eine traurige Nebensache: sie hat ihren eigenen Wikipedia-Artikel, auf den aber ein Löschantrag wegen Irrelevanz gestellt wurde. Ich wär mal sehr gespannt auf ihre Adele-Nummer, denn wenn sie die hinkriegt, klappt’s vielleicht doch, aber so schön wie das Original kann’s fast nicht werden.
Yosefin Buohler Und dann noch Teil fünf der Girlgroup, sie haben schon Typen ausgewählt, muss man sagen. Ginger Spice, diesen Mädchen ist laut und bekloppt und gleichzeitig niedlich und hat Spaß und passt prima in den ESC-Zirkus, noch dazu als Halbschwedin. Ob es mit der Musik was wird, das kann ich noch nicht so recht beurteilen (Beyoncé, das ist auch hoch gepokert), aber was soll schon schiefgehen, sie wär ja nicht die erste Kandidatin, die von einem blinden tauben Publikum gewählt wird.
So, und nun der Orakelspruch: die erste Runde überstehen Axel, Felicia und Yosefin, und am Ende singt eins von den Mädels, sagen wir mal Yosefin, irgendeins der extra für den ESC geschriebenen Lieder, ist eh wurscht welches, denn beide sind so egal, selbst bei Ralph Siegel wär was innovativeres rausgekommen. Auswertung folgt am Freitag. Unabhängig davon, welche Kandidatin uns vertritt, beim ESC werden wir, wie üblich, keinen Blumentopf gewinnen. Viel Spaß beim Gucken.
Update: Gewonnen hat also Levina mit “Perfect Life”, Yosefin und Felicia sind gleich in der ersten Runde rausgeflogen. Ich hab keine Ahnung von diesem Wettbewerb. Q.e.d.
Resi steht auf dem Sessel, guckt zum ESC und ruft fortwährend “Au beia! Au beia!”
Breaking News: Flori S. steht auf Helene!
Spätestens nach Runde 2 sollte sich Helene nun aber doch wieder ihrem Abitur widmen.
Wir sind uns wohl einig, dass die beiden Levina-Interpretationen tatsächlich die besten waren. Reinhard hat außerdem analysiert, dass ‘Perfect Life’ wesentliche Elemente von ‘Titanium’ (David Guetta feat. Sia) enthält.
Wir sind übrigens maßlos enttäuscht, dass alle den ganzen Abend die gleichen Klamotten tragen – das ist hier schließlich der ESC und selbst ich hab mich ja derweil häufiger umgezogen!
ICH HAB’S GEWUSST! Conchita Wurst singt Satellite.
Perfect Vote, Perfect Night, Perfect Life!
Das dürfte meinen Vorhersage-Volltreffer vom letzten Jahr dann ja neutralisiert haben… und gibt mir bereits eine Vorahnung darauf, dass ich diesen Wettbewerb einfach nicht kapiere.
Geht’s übrigens nur mir so, dass ich dieser Snibbe nach der Hälfte vom Lied schon ins Gesicht treten möchte? Selbst bei Cascada hatte ich kein derartiges Sympathiedefizit…
Nö, wir finden sie okay – aber vielleicht hättest du den ganzen Abend verfolgen/ertragen müssen, um zu verstehen, dass sie von der vorgestellten Auswahl nun mal das geringste Übel ist und allein dafür unsere Unterstützung auf dem Weg zur nächsten ESC-Enttäuschung verdient.