Ich hab einen dicken Kiefer und also nix besseres zu tun, als auf dem Sofa zu sitzen und mir das anzugucken: “Chefsache ESC 2025”. Den deutschen Vorausscheid. Der Chef ist Stefan Raab (bissi alt geworden), die Jury besteht aus Conchita Wurst und den anderen, Barbara Schöneberger moderiert die ganze Sache mit tiefem Schlitz im Kleid in Grund und Boden, ich fühl mich zuhause, aber auf die ungute Art. Um den Schmerz zu betäuben, entschließe ich mich, es nun doch zu bebloggen.
Der Modus ist: die neun Finalisten dürfen je ein Cover und ein potentielles ESC-Lied vortragen, dann wählt die Jury die Top 5, dann wählt das Publikum den Finalisten. Es beginnen The Great Leslie mit “Waterloo”, was genau so aussieht, als würde eine deutsche Karnevalskapelle Abba nachspielen (was beeindruckend ist, denn es ist nur ein Deutscher dabei). Dann Umkleidepause nach einem Lied, das würde nichtmal Axl Rose bringen. Aber auch mit tiefen Einblicken ins frische Flatterhemd des Sängers muss man sagen: Chuck Berry hat sich den Rock’n’Roll anders vorgestellt.
Benjamin Braatz covert “Angels”. Warum es bei Robbie Williams funktioniert hat, ist: es war straight, es war ruppig, und naja, Robbie Williams trifft auch in seinem Refrain noch die ganzen langen Töne. Da gibt’s hier Mängel, und ach, wieviel Vibrato geht in so ne Stimme, es erinnert mich an Mel Brooks’ Madame Ouspenskaya. “Hütet euch vor der lauernden Gefahahahahahahr… ahahahahr…” Im ESC-Song trifft er die Töne, aber es ist so’n klassisches Lied zum Klogehen.
Es wird zuviel gequatscht in dieser Sendung, bestimmt erleb ich das Ende nicht mehr heute, schon Leonora langweilt mich derartig, dass ich nicht dranbleiben mag, trotz buntem Folienblazer und tragischer Lebensgeschichte. Und diese Kleiderwechsel immer, das ging in der Miniplaybackshow damals schneller. Man muss sich auch fragen: wär das Lied immer noch gut, wenn sie Jeans und T-Shirt statt rotem Schlitz im Kleid tragen würde? Ich denk nein.
So jetzt, aufwachen, Feuerschwanz dürfen bisschen laut sein. Das ist… naja, Feuerschwanz halt. Yvonne Catterfeld wippt mit dem Fuß, so gut, und hey, sie nutzen die Umkleidepause nicht (werden aber trotzdem von der Bühne geschickt). Stefan Raab analysiert, dass die 60% weiblichen ESC-Abstimmerinnen bestimmt nicht davon begeistert wären, der Machoarsch.
Beinah Halbzeit, Moss Kena in Pink und Weiß und Glitzer und Schnauzbart. Kann jemand diese um sich greifenden Schnauzbärte wieder abstellen? Ich bin wohl einfach nicht in Stimmung für Schmalzballaden, auch die Nemo-Gedächtnis-Federboa hilft nich, es ist alles austauschbarer lahmer Unfug für mich.
Aufwachen: bei “Bang Bang” bin ich geistig dabei, das ist schon ein guter Song, aber same same, es bringt hier einfach niemand (auch nicht Abor & Tynna), bei einem Song, der eben gut ist, weil er sehr straight ist, nicht noch 400% Dramatik draufzuschaufeln, meine Fresse. Was ist denn mit dem Publikum? Am Ende gefällt denen noch dieses schreckliche Zweitlied?
Vielleicht ist es insgesamt ein Problem, dass die Kandidaten sich alle unfassbar knifflige Covers aussuchen, an denen sie dann scheitern müssen – so auch Cosby mit “I wanna dance with somebody”, da merkste halt gleich, was das fürn dünnes Stimmchen ist, verglichen mit Whitney Houston. Ich werd heut echt nur noch mitm Krückstock fuchteln.
Und dann auch noch “Creep”, da weiß man einfach schon vorher, dass man nur scheitern kann, zumal als “die unglaubliche Lisa”, ach nee, Lyza, sonst kann man mit so’m Namen ja wahrlich nix werden. – Ok, failed gracefully, das hätte schlimmer werden können. Sie kann singen, aber das ESC-Lied ist trotzdem völlig egal, eine lahme Version von “No no never”.
Finally, der letzte Beitrag, Julika. Nun fragt man sich, wie kann man auf “Euphoria” noch Dramatik draufkippen, nicht, hier ersetzen wir also Windmaschine und wildes barfüßiges Rumgewusel durch ne stimmlich wacklige Stehperformance in Dauerwelle und rosa Glitzerkleid. Im ESC-Lied dann Morticia-Addams-Optik mit immerhin gutem Trickkleid, naja. Na gut, da muss ich wenigstens die Auswertung nicht mehr angucken, ich leg mich jetzt schon fest: wer immer es wird, wir werden keinen Blumentopf gewinnen. “Spiel mir das Lied vom Tod” im BR ist inzwischen auch zu Ende, ich geh ins Bett.
Edit, der Vollständigkeit halber und nur für Manu: Abor & Tynna sind’s geworden, so sei es.