Nachdem Manu und ich in den letzten Monaten gefühlt hundert Vorstellungsgespräche hatten, nutzen wir unser geballtes Wissen aus verlässlicher Quelle, um euch tolle Tipps für euer erstes Vorstellungsgespräch zu geben. Und zwar vielleicht sogar mal welche, die die Personalchefs noch nicht kennen.
1. Hinkommen
Du solltest im Normalfall eine Adresse haben. Googlemaps teilt dir mit Freuden mit, wie du diese Adresse von dir aus erreichst und, falls du mit dem Auto fährst, wie lange du brauchst. Wer am Tag zuvor probehalber schonmal hinfährt, hat zuviel Zeit und macht sich lächerlich. Autofahren empfehlen wir nur Leuten mit starken Nerven – jeder normale Mensch ist vor solchen Gesprächen eine Gefahr für den Straßenverkehr. Daher sind öffentliche Verkehrsmittel besser – allerdings ist dabei eure Ankunft nie garantiert. Unser Tipp also: pack einen Kompass ein und geh zu Fuß! Alles, was du innerhalb eines Tages auf diese Weise nicht erreichen kannst, ist als Arbeitsplatz sowieso inakzeptabel.
2. Rumstehen
In den meisten Fällen wirst du nicht direkt zu deinem Gesprächspartner geführt, sondern dieser hat den Termin vergessen bzw. sich noch drei weitere gleichzeitig eingeplant, sodass du warten musst. Die Peinlichkeit dieser Situation wird maximiert, wenn du die Wartezeit neben einem Mitarbeiter sitzend verbringen sollst. Fühl dich zu Recht beobachtet! Alle intelligenten Fragen, die du jetzt nicht stellst, gelten als Desinteresse. Alle Fragen, die du stellst, gelten als Mitarbeiter-von-der-Arbeit-abhalten-und-zu-Tode-nerven.
3. Begrüßt werden
Es gilt: Sie werden platziert. Setz dich, wo du dich setzen sollst. Nimm ein Wasser – wer weiß warum, aber das ist immens wichtig. Du wirst es bis zum Schluss vor Aufregung nicht anrühren, am Ende stehenlassen (unhöflich) oder runterkippen (unfein, und verursacht einen starken Harndrang, sowie du die Firma verlasse hast). Dauerlächeln, obwohl du dich fühlst wie auf dem Schafott. Du wirst niemals dem Kleidungsstil deiner Gesprächspartner entsprechen – entweder peinlich overdressed oder viel zu bequem. Also versuch’s gar nicht erst. Dein Kleiderschrank bietet keine richtige Option.
4. Widersprüchliche Ziele
Der Personalchef/dein Interviewpartner/wer immer da sitzt, will einen erfahrenen, blutjungen Mitarbeiter, ca. 20, Auslandsaufenthalte (aber auch wieder nicht zu viele), Studium, Doktortitel, fünf Sprachen fließend, blendende Fähigkeiten in allen dein Fachgebiet streifenden Bereichen. Das steht in krassem Gegensatz zu deinem Ideal: pro Woche 20 Stunden leichte Forschungstätigkeit ohne jegliche Kernarbeitszeiten, bei Abwesenheit des Chefs, jährlich 40 Tagen Urlaub und fürstlicher Bezahlung. Ihr könntet anecken. Andererseits: warum sich mit weniger zufriedengeben?
5. Interview
Es gibt prinzipiell zwei Arten von Interviews, und du solltest herausfinden, vor welcher Art du stehst.
5.1 Schon-gewonnen-Interview
Nachdem dir eingangs die Firma und dein künftiges Büro sowie die extra für dich gekaufte zusätzliche Kaffeetasse gezeigt wurden, kommst du etwa fünf Minuten lang zu Wort. In dieser Zeit darfst du deinen Lebenslauf auswendig wiedergeben, weil dein Interviewpartner keine Lust hatte, ihn zu lesen. Er wird nicht zuhören und alles hinnehmen. Falls er etwas kritisiert, ist es völlig egal, wie du dich herausredest.
Du: Ich habe zehn Jahre lang in Bielefeld studiert.
IP: Ist das nicht ziemlich lang?
Du: Ja, ich musste zwischendurch eine zweijährige Haftstrafe absitzen.
IP: Achso, na dann – prima.
Pro: Du kannst nichts verkehrt machen. Dir wird wohlwollend zugehört, du lachst pflichtschuldigst über die Scherze des künftigen Vorgesetzten und wirst sicherlich bald eingestellt.
Con: Die Firma ist extrem verzweifelt, wenn sie sogar dich bedenkenlos einstellen würde: finde also den Haken! Ist der Job todlangweilig? Die Bezahlung schlecht? Die Büros umgebaute S/M-Studios? Macht der Chef Rundgänge mit Peitsche und Morgenstern? Oder hat das ganze etwa gar mit Datenbanken zu tun? Unterhalte dich mit Mitarbeitern. Gerade wenn du Informatiker bist, werden dir andere Informatiker bereitwillig sagen, dass sie ihren Job hassen.
5.2 Blamier-dich-Interview
Du antwortest etwa anderthalb Stunden lang auf Fragen, die abgelesen werden. Deine Antworten werden notiert und später in einem Neuralen Netz gegen das Bild des perfekten Stellenanwärters (s. o.) ausgewertet. Niemand trifft dieses Bild. Es wird ein wenig Übung erfordern, aber nimm’s locker. Die Gegenseite will dich mürbe spielen. Ärger sie zurück. Gib Antworten, mit denen ihr Computer nichts anfangen kann!
Falsch:
IP: Sie haben ein Diplom in Physik? Was hab ich mir darunter vorzustellen?
Du: Ich kenne mich gut mit Ramanspektroskopie aus und habe Halbleiter erforscht.
IP (zieht abwertend die Augenbraue hoch): Wie kommt man darauf, sowas zu tun?!
Vielleicht richtig, aber bislang unerprobt:
IP: Sie sind Informatiker? Wieso das denn?!
Du: Ich liebe die Sonnenuntergänge auf Alpha Centauri.
IP: Das müssen Sie mir erklären.
Du: Nein.
Wie gesagt, du hast keine Chance, außer der, deine Worte für die Nachwelt auf Papier zu bannen – besser noch, bannen zu lassen! Ein Klassiker für diesen Zweck wäre also:
IP: Haben Sie praktische Erfahrungen?
Du: Mehr Licht!
6. Fangfragen
Diese werden nur bei Interviewtyp 2 gestellt – denn die wollen dich ja loswerden! Hier eine Sammlung der Klassiker mit Antwortvorschlägen. Ihr könntet euch Antworten überlegen und mitbringen. Aber es wird nicht klappen – auch die werden nicht besser ankommen als unsere Beispiele.
- Was sind Ihre Schwächen? Was an sich würden Sie gern ändern? Wo sehen Sie bei sich den größten Handlungsbedarf? – Ich bin unkommunikativ, nicht teamfähig, ziemlich faul und nicht überragend clever. Ich würde gern schönere Haare haben.
- Wenn ich Ihre beste Freundin nach Ihren besten Eigenschaften frage, was sagt sie mir dann? – Meine Freundin redet nicht mit komischen Leuten wie Ihnen.
- Welche Aufgaben würden Sie denn überhaupt nicht mögen? – Naja, so xy kann ich gar nicht ausstehen. – Ach, xy? Das hatten wir ganz vergessen, in die Anzeige zu schreiben… das würde Ihre Hauptaufgabe sein.
- Was haben Sie zuletzt gelesen? – Die Micky Maus, letzte Woche. – Aber Sie lesen manchmal auch Bücher? – Kann sein, ja… – Und welches Buch zuletzt? – Ich glaube, es war grün.
- Wenn Ihr Partner weit wegzieht, was tun Sie dann? – Ich ziehe ohne Vorwarnung genausoweit weg und gehe zur Konkurrenz. (He, was sonst?!)
- Was sind Ihre Hobbys? – Ich zeichne Comics, die mein Berufsleben lächerlich machen.
- Was wissen Sie über unsere Arbeit hier und was halten Sie davon?
- …
7. Besondere Überraschungen
Zuletzt noch eine Zusammenfassung erprobter Finten künftiger Arbeitgeber. Alles kann passieren. Nachdem das nun schon passiert ist, passiert euch was schlimmeres.
- Das Gespräch findet auf Englisch statt. Du musstest ja behaupten, fließend Englisch zu sprechen!
- Das Gespräch findet in einem vollverglasten Raum statt, der von der Straße aus von grimassenschneidenden Fußgängern eingesehen wird, die dich zum Lachen bringen, aber leider hinter der Personalchefin stehen.
- Der Personalchef holt sich für das Gespräch Unterstützung: Den Manager Support, den Manager Application und den Manager Improvement… Zum Glück hat aber der Manager Management schon was besseres vor.
- Das Gespräch dient nicht zur Erforschung deiner Qualifikation, sondern es wird nur deine letzte Firma durch den Schmutz gezogen und anschließend der plumpe Versuch unternommen, dir irgendwelche Interna der Konkurrenz zu entlocken.
- Es wird erwartet, dass die Probearbeitszeit unentgeltlich stattfindet – deine Miete bezahlt sich ja schließlich von allein…
- Dem Chef fällt zum Ende eines annähernd zweistündigen Schweißmarathons deinerseits ein, dass die Kapazitäten der Firma ausgelastet sind und kein Mitarbeiter mehr gebraucht wird.
8. Die Zeit danach
Auch hier gibt es wieder mehrere Möglichkeiten, die eine Fallunterscheidung nötig machen.
8.1 Wir melden uns!
Was angeblich ja schon das letzte ist, was man nach ‘nem ONS zugesagt bekommt, ist auch hier die freundliche Version von “Wenn Sie nur halb so enttäuscht von uns sind wie wir von Ihnen, sind Sie auch glücklich, wenn wir einfach stillschweigend vergessen, dass wir uns jemals getroffen haben.” Von sich aus absagen kann man teilweise auch nicht, wenn das Unternehmen schon im Vorfeld geschickt genug war, keinerlei Kontaktdaten bekanntzugeben.
8.2 Sie haben den Job!
Wenn du ihn haben wolltest: Glückwunsch! Wenn nicht: Wieso hast du Depp dich dann überhaupt erst beworben? Sieh selbst zu, wie du da wieder rauskommst! Oder unterschreib halt einfach – sich jeden Tag aufs Neue darüber ärgern zu können, sichert schon langfristig die Tagesaufgaben!
Gut, das war’s an Weisheit. Vielleicht demnächst von Manu: “Wie man einen HartzIV-Antrag ausfüllt”.